Hugo Schuchardt an Ernst Kuhn (34-HSEK21)

von Hugo Schuchardt

an Ernst Kuhn

Graz

29. 10. 1889

language Deutsch

Schlagwörter: language Portugiesischlanguage Niederländischlanguage Indoportugiesische Kreolsprachenlanguage Sanskritlanguage Englisch Winkler, Heinrich Schuchardt, Hugo (1891) Winkler, Heinrich August (1887) Smith, Ian (2016) Callaway, John (1818)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Ernst Kuhn (34-HSEK21). Graz, 29. 10. 1889. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9256, abgerufen am 20. 06. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9256.


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Graz, 29. Okt. 89

Lieber Freund!

Ich sende Dir heute mit besonderem Dank den Orientalist zurück, da ich die ganzen Listen portugiesischer und holländischer Lehnwörter abgeschrieben habe, auch sonst mit Korrekturen und Anderem sehr beschäftigt bin, konnte ich nicht eher damit fertig werden.

Ich bitte Dich wenn neuerdings in dieser Zeitschrift irgend Etwas erscheint was sich auf das Indoportugiesi- |2| sche bezieht, mich darauf aufmerksam zu machen; überdies möchte ich Dich später einmal um Vol. III parts I and II ersuchen, wo der Herausgeber über die Transkription singhalesischer und Sanskritwörter im Englischen gehandelt hat. Ich habe nämlich in einer längeren Abhandlung über das „Indo-Englische“ (the Anglo-Indian), die in einiger Zeit erscheinen wird,1 auch die Frage wegen der Korrespondenz zwischen dem engl. t, d und dem ind. ṭ, ḍ von Neuem erörtert. Den Ausführungen bei Caldwell2 zufolge |3| würde die bisher angenommene vollkommene Identität nicht bestehen. 2

Obwohl ich aus dem Studium des Sinhalesischen für das Ceylonportugiesische das sich von dem Indoportugiesischen des Festlands in keiner für mich auffälligen Weise unterscheidet, keine besonderen Ergebnisse erwarte so hätte ich mich doch gern einigermassen mit dieser merkwürdigen Sprache beschäftigt. Kannst Du mir irgend ein „Handbuch“ – denn die Wendungen der Umgangssprache würden mir vor allem wichtig sein – empfehlen? Ist die Gram- |4| matik von Abraham Mendis Gunasekara „for European students“ schon erschienen?3 Ich habe letzhin Winkler’s Auslassungen über das Sinhalesische gelesen4 und sie haben mir sehr zugesagt, obwohl ich an der aesthetisirenden Weise W.‘s nicht immer Geschmack finde und an seine Prädestination der Sprachen als formlose und Formspr. nicht glaube. Ueber diesen letzten Punkt gedenke ich mich demnächst einmal zu äussern; es wäre mir lieb Deine Meinung darüber zu wissen.

Ich weiss nicht, was in der Transkription sinhalesischer Wörter das Kürzezeichen bedeuten soll; |5| indem ja doch alle nicht mit dem Längezeichen versehenen Vokale kurz sind. Abgesehen ferner davon, dass ich in der Schreibung der Lehnwörter mancherlei Schwanken, in Bezug auf die Quantität wie auf Anderes wahrnehme, scheint in der That –va und – nebeneinander vorzukommen. Aber nach welchen Regeln?

pedreiro < pedarēruvā

soldado < soldāduvā

aber:

sapato < sapattuva

saleiro < saleruva

Befremdlich ist auch die Dehnung der Vokale in geschlossenen Silben z. B. tinto < tīnta, (holl.) harten < hārta. Inwiefern ist dabei |6| der folgende Konsonant beteiligt?

Ich habe ein englisch-indoport.-sinhal. Konversationsbuch von 1818 (das Sinhalesische ist ohne Umschrift und, für mich Laien wenigstens, nicht sehr leserlich gedruckt);5 da finde ich für das Kopulative –yi öfter –ya, z. B. es ist schlecht Wetter: dan naraka kātē-ya es ist kalt; dan sītala-ya, aber es ist fast zwei Uhr: daņ dekata kittu-yi

Ist jenes nur ein typographischer Fehler?

Mit besten Grüssen

Dein ganz ergebener

HSchuchardt

Übrigens habe ich in dem „Orientalist“ nicht nur ein Thiermärchen aus der Klasse derjenigen die mich insbesondere interessiren, sd. auch, was ich nicht erwartete, westindische Negersprichwörter gefunden.


1 Schuchardt, „Beiträge zur Kenntnis des englischen Kreolisch III. Das Indo-englische“, Englische Studien. Organ für englische Philologie unter Mitberücksichtigung des englischen Unterrichtes auf höheren Schulen 15, 1891, 286-305.

2 Robert Caldwell, A Comparative Grammar of the Dravidian or South Indian Family of Languages, Harrison: London, 1856, 4ff.

3 Abraham Mendis Gunasékara, A comprehensive grammar of the Sinhalese language ; adapted for the use of English readers and prescribed for the Civil Service examinations, Colombo: Skeen, 1891.

4 Heinrich Winkler, Zur Sprachgeschichte;; Nomen. Verb und Satz. Antikritik, Berlin: Dümmler, 1887, 152f.

5 Callaway; zu allgemeinen Fragen vgl. Ian Smith, „The earliest Grammars of Sri Lanka Portuguese“, PAPIA, São Paulo 26,2, JUL/DEZ 2016, 237-281 (zu Schuchardt 275f.). Vgl. auch Callaway, A vocabulary with usefule phrases, and familiar dialogues in the english, portuguese and cingalese languages, Colombo 1815.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen (Sig. HSEK21)