Hugo Schuchardt an Ernst Kuhn (28-HSEK17)

von Hugo Schuchardt

an Ernst Kuhn

Friedrichroda

01. 10. 1888

language Deutsch

Schlagwörter: Graz München

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Ernst Kuhn (28-HSEK17). Friedrichroda, 01. 10. 1888. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9250, abgerufen am 28. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9250.


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Lieber Freund!

Auf meiner Rückreise nach Graz gedenke ich (etwa in 8-10 Tagen) München zu berühren und würde mir dann erlauben, Dir ein Stündchen Deiner kostbaren Zeit zu stehlen. Hättest Du die Güte mir mitzutheilen, ob Du schon dort bist, sowie wo Du wohnst? im Falle ich keine Antwort erhalte, nehme ich an dass du noch in der Sommerfrische weilst. Ich möchte über Singalesisch im Allgemeinen und Besondern von Dir Auskunft haben. Ich habe z.B. kürzlich ceylonportugiesische Volksbücher in Versen (europäischen Folklorestoff enthaltend) bekommen, deren Stil sich von dem mir bekannten prosaischen stark unterscheidet und besonders eine Menge beständig wiederkehrender Ausdrücke darbietet, die einheimischen, singal. oder tamul. Einfluss vermuthen lassen (,mit Thränen von Blut‘, ,mit Seufzern von Feuer‘, ,mit Wuth-Wildheit‘, ,mit Zorn erzürnt‘, ,mit was für einer‘ = mit grosser Trauer, Freude sowie zwei Augen = Augäpfelmetaph. usw.). Die Verse haben in der Regel 3 Hebungen, während in den malaischen und malaioportug. Pantums 4 Hebungen das Gewöhnliche ist. Auch könnte das Sing. vielleicht ein oder das andere dunkele Wort des Asioport. erklären. Überall in Vorder- und Hinterindien, so viel ich sehe, heisst manduco ,Frosch‘; das schaut sehr romanisch aus, ist es aber kaum. Nun finde ich in einem alten engl. port. sing. Vocabular: zwei sing. Wörter für Frosch, das zweite ist [ගෙම්බා]1, das muss – Transkription steht nicht dabei – so etwas wie mäḍhāyā sein, woraus jenes Wort entstellt sein könnte. Asioport. topaz, Mischling‘, eig. ,Dolmetsch‘, geht auf das Hinduwort für letzteres (eig. ,Zweisprachiger‘) zurück, aber lässt sich das t- = ð- aus dem Sing. oder dem Tamul. erklären? U.s.w.

Bestens grüssend Dein
H. Schuchardt,
Gotha,
Gr. Siebleberstr. 33


1 Transkription gemba. Schuchardts singh. Zeichen sind nicht ganz genau; auch seine Zeichenwahl ist nicht ganz genau.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen (Sig. HSEK17)