Otto Kersten an Hugo Schuchardt (01-05531)

von Otto Kersten

an Hugo Schuchardt

Berlin

07. 12. 1881

language Deutsch

Schlagwörter: language Französischlanguage Portugiesischlanguage Arabisch Mauritius Goa Angola

Zitiervorschlag: Otto Kersten an Hugo Schuchardt (01-05531). Berlin, 07. 12. 1881. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9212, abgerufen am 04. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9212.


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7. Dec. 1881.

Hochgeehrter H. Professor!

Ich bedaure lebhaft, Ihnen nicht nach Wunsch dienen zu können; ich besaß früher allerdings ein kleines Gedicht „Le Requin, fable en vers creoles“ im Patois der Insel Réunion, veröffentlicht im Almanac Réligieux de l’île de la Réunion pour l’année bissextile 1864, p. 334-335, publié sous les auspices de Msgr l’évêque de Saint-Denis;1 allein ich habe dasselbe schon vor mindestens 10 Jahren an einen sprachkundigen Freund (an den verstorbenen Hr. v. d. Gabelen[t]z in Altenburg??)2 verschenkt. Ich glaube, Sie werden leicht derartige Proben erhalten, wenn Sie Sich direkt an das Sécrétariat Général de l’Evêché de St. Denis (Réunion) wenden, und auch an den K. Deutschen Konsul zu Port Louis (Mauritius). In Mauritius wird jedenfalls dasselbe Patois gesprochen wie auf Bourbon, u. auf den Seschellen wahrscheinch. auch; indessen könnten Sie Sich versichern, indem |2| Sie direkt bei Engl. Gouverneur (Civil Commissioner) der Seschellen (in Port Victoria, Mahé3 ) Anfrage halten.

Die „Johanna-Sprache“4 ist, soviel ich weiß, kein europäisches Patois, sondern die gewöhnliche Comoro- oder Angasija-Sprache,5 die dem Suaheli nahe steht; näheres erfahren Sie durch Anfrage beim engl. Consulat zu Johanna. Diese Sprache, wie z. B. devei, Rothwein (franz.du vin), u. vinjo, sonstiger Wein, sowie mesa, Tisch (portugies); ein portugies. Platt existirt nicht, weil es nur wenige aus Goa eingewanderte Portugiesen gibt. In Goa wird aber jedenfalls eine Art portugies. Platt gesprochen; Sie sollten deshalb direkt bei irgend einer Behörde (ev. dem portug. General-Gouverneur) dort nachfragen. Ebenso wird auch in Angola (W. Afrika) wahrscheinl. ein verderbtes Portugiesisch gesprochen, was Sie am besten von dem General-Gouverneur dort (ev. auch |3| von dem D. Konsul, Hr. Pasteur?6 ) erfahren.

Das Suaheli, welches außerordlich. viel Arabische Wörter enthält, kenne ich näher u. habe sogar ein kleines Wörterbuch mit Kennzeichnung der Fremdwörter darin zusammengestellt, aber noch nicht drucken lassen.

Mit dem lebhaftesten Bedauern, dass ich so wenig mittheilen kann, Ihr

hochachtungsvollst ergebener

O Kersten.

NB. Anbei 1 kl. Heft unter Xband, mit einer kl. Notiz über das „Suaheli“.7


1 Es könnte sich um das populäre und mehrfach publizierte Gedicht „Le Requin“ von Louis Héry handeln;

LE REQUIN

Louis HéryVersion créole (originale)

A proç' li cap bon l'Espérance,

Ein jour ein gros papa réquin

L'était rôdé pour remplir son la panse;

Çà bébêt nana toujours faim.

A v'là qu'li la guette ein navire.

"Ho! Ho! la dit , moi gagn' manzer.

"Li pliç' son dents, li tourn', li vire,

Son la bouç' commenç' démanzer.

Mais capitain' n'a pas té bête,

La souque ein gros morceau di lard.

"Réquin, li dit, ton viand' li prête,"

T'al'hèr toi payé ton vantard.

"Li réquin l'appell' son pilote: "

Pilot', la dit, moi fair' ribotte.

"Piti pilot' l'était fité:

"Manz' pas, réquin, quand mêm' pâté,

"Quand mêm' zambon, quand mêm' saucisse,

"Car li blancs là nana malice;

"Moi dire à vous manz' pas réquin

"Car sous la viande nanali z'ain.

"Li réquin l'a répond tout en colère:

"Pilot' vous nana trop mystère"

Moi vois bien vous là laç' li coer,

"Nous pé sauver si vous la pèr .

"Li lanç' ein coup! Li l'attrap' son bocée,

Mais v'là son la guèle accrocée...

Halle à bord! Tout' li matilot

Bourr' gros di bois dans son zabot,

Z'aut' zir' à li dan' tout' manière

Z'aut' fait passe à li la misère.

Quand tout matilot la bien ri,

Z'aut' y fait couit' , pour faire cari;

Dans n'mât z'aut' y clout' son mâçoire.

Ça même la finis mon z'histoire.

Fais pas comment réquin, z'ami,

Son gourmand la fait mort à li.“

2 Vermutlich Hans Georg Conon von der Gabelentz (1840-1893); vgl. HSA 03204-03210.

3 Mahé ist die größte Insel der Seychellen, die im Indischen Ozean vor der Küste Ostafrikas liegen.

4 Johanna, heute Anjouan (komorisch Ndzuwani) ist eine der drei Hauptinseln der Komoren.

5 Angasija und Mohilla sind die westlichen Komoreninseln.

6 Nicht identifiziert; ein deutscher Konsul dieses Namens konnte im Biographischen Handbuch des deutschen Diplomatischen Dienstes nicht nachgewiesen werden.

7 Nicht erhalten.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05531)