Jonathan Kersten an Hugo Schuchardt (01-05520)

von Jonathan Kersten

an Hugo Schuchardt

Paramaribo

01. 02. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: language Portugiesisch (Surinam)language Englischbasierte Kreolsprachen (Surinam)language Niederländischlanguage Saramakkanisch Schuchardt, Hugo (1914) Weygandt, G. C. (1798)

Zitiervorschlag: Jonathan Kersten an Hugo Schuchardt (01-05520). Paramaribo, 01. 02. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9201, abgerufen am 12. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9201.


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Paramaribo d. 1. Febr. 1882.

Verehrter Herr!

Ihr werthes Schreiben vom 26. Dec 81 habe ich erhalten u. werde mich bemühen, Ihren Wünschen nachzukommen.

Das Negerportugiesisch oder die Sprache der Saramakka-Neger gilt bei uns hier als eine aussterbende Sprache, auf die wir Missionare hier gar keine Rücksicht mehr nehmen. Die Saramakka-Neger, welche zu unsrer Gemeine in Ganzee1 an der Suriname2 und in Maripastoon3 an der Saramacca gehören, lernen mit leichter Mühe das Negerenglisch, das in der Stadt gesprochen wird, und darum geben wir uns keine Mühe, ihre Sprache näher kennen zu lernen. Doch aber besteht die Sprache noch und können echte Saramakka-Neger oder Buschneger von den Stadt-Negern kaum verstanden werden..

Ihre Bitte um Fabeln, Liedchen [,] Sprichwörter u.s.w. kann ich zunächst nicht erfüllen, da in den letzten Jahren kein klassisch gebildeter Missionar in Ganzee angestellt gewesen ist, der aus wissenschaftlichem Interesse dergl. gesammelt hätte. Da ich aber als geistlicher Vorsteher der Mission auch diese Gegenden werde bereisen müssen, so werde ich mein möglichstes thun, dergleichen zu sammeln u. in Jahresfrist Ihnen zuzusenden. Vielleicht gelingt es mir, auch schon früher Einiges zu erhalten, denn wir haben in Ganzee einen ziemlich gebildeten Schullehrer Daniel Yveraar4, der des Holländischen mächtig ist, der selbst ein geborener Saramakka-Neger ist. An diesen werde ich mich brieflich wenden. – Sie er- |2|wähnen auch das Wörterbuch von C. L. Schumann von der Saramakka-Negersprache. 1778. 5 Es ist noch vorhanden, aber aus den vorher angeführten Gründen haben wir kein Interesse am Druck und können es Ihnen auch nicht überlassen. Es ist ein Werk von 108 Quartseiten u. ich habe es hier Jemand zum Abschreiben angeboten, der die Arbeit für 20 fl. od. ca 35 Mark übernehmen will. Wenn Sie die Summe an meinen Schwiegervater Herrn Director Th. van Calker in Berthelsdorf bei Herrnhut Kngr. Sachsen 6einsenden, so werde ich die Abschrift veranlassen. Von sonstigen Arbeiten in dieser Sprache ist noch vorhanden ein Theil der Uebersetzung der Apostel-Geschichte, 42 Quartseiten, 1805, wovon ich Ihnen eine Seite in der Abschrift zusende. Dem füge ich bei einen Brief in der Indianer-Sprache, da ich vermuthe, daß er Ihnen von Interesse sein wird. Von dieser Sprache besitzen wir mehr Schriftliches, da unsre Missionare früher unter den Indianern od. Arawakken thätig gewesen sind. Ich ersuche Sie, mir diesen Brief wieder zurückzusenden, da ich voraussetze, daß Sie noch einmal schreiben werden. Das Negerenglische Wörterbuch von C. L. Schumann, „editio tertia“ 1783 ist auch noch vorhanden, aber leider habe ich keine Editio prima od. secunda finden können. 7Es ist wol nocheinmal so stark als das andre Wörterbuch. Das Werk: Gemeenzame Leerwijze u.s.w.8 habe ich nicht finden können. Das Singiboekje von 1841 u. 47 ist ebenfalls in wenig Exemplaren vorhanden9 und ich werde mich bemühen aus unser Negergemeine [sic] 2 Exemplare für Sie zu erwerben. Es würde mich freuen, wenn ich Ihnen auch ferner behülflich sein könnte u. es thut mir leid, daß ich für jetzt ihre Wünsche nur in so geringem Grade befriedigen kann.

Hochachtungsvoll

Ihr ergebenster

J. Kersten.

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Abschrift einer Seite

aus der Uebersetzung der Apostelgeschichte in die

Saramakka-Neger-Sprache

durch Missionar Wietz.10

(Ende des 18. Jahrh.).

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Apostelgeschichte Cap. III.

1. Petrus ko Johanes dem go nanga makandra 1. na grong (od. grang) Kerki va Dju, na neni üre, di tem dem lobi va go bigi. Kaba wan Omi bi de 2 Laam sinse hem Mama pali hem; dem Sombre tjarri hem, putta hem inidagga na dorro va Kerki, disi ha nem di hansemwan, va a begi wan sondi na dem Sombre dissi tan go na Kerki. Teh a si Petrus ko Johanes keh dindra na 3 Kerki, a begi dem, va dem da hem wan sondi. Ma Petrus ko Johanes dem lukku hem du, 4. dem takki, tan! lukku wi; Kaba a lukku dem, 5. a membre dem sa da hem wan sondi. Kaba 6. Petrus takki, Sitanja ko Gando mi no habi ma di sondi mi habi, mi tan da ju, na nem va Jesu Christo va Nazereth: Hoppo tan nappe wakka; A panja hem na hem reti mau, a 7 hoppo hem, putta hem nappe, so djusnu Futu va hem na tulu faasi tan reti; A Djombo, a tan 8. nappe a wakka, a go nanga dem na Kerki, a Djombo, a Gawa nem va Gado; Kaba tulu 9 Sombre si hem wakka, dem hoppo nem wa Gado; Dem sabi hem tu; bika da hem di Sombre, dissi bi 10 sinda na Kerki dorro dissi ha nem di hansemwan va begi sondi na Sombre; dem bila tanfuru kweti kweti va di sondi, dissi bi miti hem. Ma teh di 11 Laam Sombre, dissi bi kom bun awa, wakka ko Petrus en Johanes, tulu Piple kuleh go na dem nanga tanfuru faasi na dindru Gadri va Salomons.


1 Ganzee war Herrenhuter Missionsstation unter den „Buschnegern“ im Urwald von Suriname, Südamerika. Die „Buschneger“ waren Nachkommen afrikanischer "Negersklaven", die sich der Sklaverei durch Flucht in den Urwald entzogen. Sie verzierten ihre Hütten gelegentlich mit Schnitzereien (Text einer frühen Postkarte); im Internet findet sich unter dem Eintrag ganzee-suriname reichliches Anschauungsmaterial.

2 Der Fluss „Suriname“ mündet bei Panamribo in den Atlantischen Ozean.

3 Vgl. das im Internet z. Zt. angebotene Werk „Missionsreise mit B. Voullaire in das Buschland von Suriname. Vom 20. Februar bis 18. März 1901. Von Rud. Roy: 1901. 72 S. , original Handschrift, sowie 50 original Fotografien der Reise und der Mission, verschiedene Formate, von 21 cm x 27 cm bis 10,5 cm x 6 cm, Plattenfotografien, meist auf Pappe oder in das Reisebuch montiert---- Beinhaltet: zahlreiche Reiseaufnahmen / Das Schiff Prins Wilhelm I. / Cabenda, Kirche in Maripastoon, Eingeborene, Kirche in Daeobkondre / Kirche in Makajapingo / Labrador, Moravian Station / Emil und Emma Wurr, Studioaufnahme bei Fotografia Central de E. Herburger. Guatemala / Großaufnahme des Inneren Manufakturwinkels (Laden) / Bruderfest / Eisfabrik / Schulkinder i. Charlottenberg (Lehrer Henri Roy) / Missionshaus in Moskito (Nikaragua) / Missionsschule Niesky Stationshügel Ost-Afrika / Gruppenaufnahme mit Lehrpersonal etc.“.

4 Daniel Petrus Yveraar (1848-1905); vgl. Franklin S. Jabini, Daniël Petrus Yveraar Onderwijzer, Musicus, Herder, Parmaribo, 2020. – Vgl. dazu Schuchardt, Die Sprache der Saramakkaneger in Surinam, Verh. d. K. Akad. v. Wet. te Amsterdam, Afd. Letterkunde. Nieuwe Reeks, Deel XIV N° 6, III-XXXV, 1-121: „Am 1. Febr. 1882 schrieb mir Herr J. Kersten dass die Herrnhuter in Ganzee (an der Suriname) einen ziemlich gebildeten Schullehrer hatten, Daniel IJveraar, der selbst ein geborener Saramakkaneger und des Holländischen mächtig wäre. Am 2. Sept. 1882 schickte mir Herr K. Aufzeichnungen (Wörter und Texte) von diesem D. IJ ., die aber der Übersetzung ermangelten. Herr Raatz, Herrnhutermissionär im Buschland, der die Saramakkasprache verstand und auch sprechen konnte, er kannte, abgesehen von der etwas ungleichmässigen Schreibung, die Richtigkeit dieser Aufzeichnungen an. Von ihm selbst rühren einige her die am 3. Okt. 1882 an mich abgingen. Endlich erhielt ich durch Herrn K. unterm 20. Febr. 1883 eine neuerliche Niederschrift von D. IJ ., welche die schon mitgeteilten Texte mit beigefügter Übersetzung wiederholte. Ich gebe sie in ihrem ganzen Umfang und ganz unverändert wieder und lasse eine Reihe von Wörtern vorhergehen die nur in der ersten Sendung enthalten waren und die ich übersetze. Den Schluss bildet das von Raatz Mitgeteilte“ (36).

5 Vgl. Schuchardt, „Die Sprache der Saramakkaneger in Surinam“, Verh. d. K. Akad. v. Wet. te Amsterdam, Afd. Letterkunde. Nieuwe Reeks, Deel XIV N° 6, III-XXXV, 1-121. – Im Vorbericht wird Kersten erwähnt.

6 Theophil Christiaan / Cristian van Calker (1822-1913), HSA 01516-01517. „Theophil Cristiaan van Calker wurde im niederländischen Zeist geboren und ging für die dort ansässige Herrnhuter Brüdergemeine nach Paramaribo. Seine älteste Tochter Anna Louise war mit dem ebenfalls in Suriname tätigen Missionar Jonathan Kersten verheiratet. Dieser stand mit Schuchardt in Briefkontakt und schickte ihm Informationen und Material zum Saramakka. Dabei diente van Calker, der seinen Lebensabend in Berthelsdorf bei Herrnhut verbrachte, als Mittelsmann für die finanziellen Angelegenheiten“ (Katrin Purgay, HSA).

7 Vgl. Early Creole lexicography, a study of C. L. Schumann's ms. dictionary of Sranan, door Alwin André Kramp, Leiden, Univ., Diss., 1983.

8 G. C. Weygandt, Gemeensame leerwyze om het basterd of Neger-Engelsch op een gemakkelyke wyze te leeren, verstaan en spreken, Paramaribo: Beeldsnyder, 1798, 2, 144 S ; 8°..

9 Kein Bibliotheksnachweis. Ähnlich dürfte sein:Proeve van Neger-engelsche Poezy. Njoe-Jaari-Sngi voe, Cesaari, 1843.

10 Johann Ludwig Wietz (keine Daten), Herrnhuter Missionar

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