Lodvina Kremer von Auenrode an Hugo Schuchardt (17-05808)

von Lodvina Kremer von Auenrode

an Hugo Schuchardt

Prag

03. 02. 1876

language Deutsch

Schlagwörter: Universität Graz Graz Wien Leipzig

Zitiervorschlag: Lodvina Kremer von Auenrode an Hugo Schuchardt (17-05808). Prag, 03. 02. 1876. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9156, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9156.


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[Monogramm LK]

Lieber Professor!

An mir liegt diesmal die Schuld nicht, wenn ich Ihnen so lange nicht schrieb, Sie wissen ja daß ich eine eifrige Correspondentin bin aber mein Mann hatte nicht Gelegenheit das heraus zu bekommen, was Sie wissen wollten; 1 nun ist es endlich doch gelungen, und ich theile Ihnen mit, |2| was ich Ihnen zu schreiben von meinem Gebieter beauftragt bin!

Also: Dr. Förster 2geht nicht nach Graz,3 obgleich er es sehr gewünscht hat sondern verbleibt hier wo er später Ordinarius zu werden hofft. Die Stelle in Graz ist noch frei und die meiste Chance hinzukommen hat ein Italiener namens Gottani oder dergl.4 Vielleicht |3| wissen Sie besser, wie Ihr Concurrent heißt. Hätten Sie die Absicht gehabt, hierher zu kommen? Ich hätte mich sehr gefreut schon deshalb, weil ich jedenfalls wieder Versuche gemacht hätte, Sie unter die Haube zu bekommen. Mir gehts jetzt sehr gut aber einige Tage nach der Hochzeit als wir in Wien eben mit dem Besuche machen fertig waren, bekam ich eine Halsentzündung |4| und lag 9 Tage zu Bette, ohne auch nur ein Wort reden zu können und um mit meinem Mann hierher zu reisen ließ ich mir im Hals ein Geschwür operiren sonst säße ich vielleicht heute noch dort; wir sind erst 14 Tage hier und seit der Zeit gehts mir auch wieder nach Verdienst. –

Höchstens besuche ich meine Schwiegermutter5 und dann müssen Sie nach Leipzig kommen, ich lasse es Sie wissen. – Mein Mann hat die Stelle eben gelesen, also es ist kein |5| geheimes Rendezvous. Mein Mann hätte Ihnen selbst geschrieben, aber er ist ein schlechter Briefschreiber, und Sie müßten noch lange warten, aber grüßen läßt er Sie bestens, und hofft, daß Sie uns zu Ihrer nähern Information hier besuchen werden.

Besten Gruß von mir und baldiges Wiedersehen in Leipzig. Ihre
Lidwine Kremer

Prag, den 3. Feb. 76.


1 Über die Situation der Prager Romanistik

2 Wendelin Foerster (1844-1915), österr. Romanist, seit 1874 ao. Prof. in Prag, ab 1876 o. Prof. Bonn als Nachfolger von Friedrich Diez.

3 Möglicherweise ist hier Aurelio Gotti (1833-1904) gemeint, ein angesehener Philologe und Schulinspektor. Die Homepage des Romanischen Seminars Graz erwähnt ihn jedoch nicht. Hier heißt es: „Wissenschaftliche Forschung in Disziplinen der Romanistik wird an der Grazer Universität seit 1854 betrieben. Das damals geschaffene Extraordinariat für italienische Sprache und Literatur wurde 1860 zum Ordinariat gehoben und 1875 in eine Lehrkanzel für romanische Philologie umgewandelt, auf die 1876 Hugo Schuchardt berufen wurde. Im Besetzungsvorschlag der damaligen Kommission erscheint er bereits als ,der genialste, vielseitigste und fruchtbarste unter den jüngeren Vertretern romanischer Philologie‘".

4 Nicht identifiziert.

5 Hier kann nur die „erste“ Schwiegermutter gemeint sein, denn die zweite, Maria Theresia Kremer von Auenrode, geb. Kiesewetteer (1802-1867), war bereits verstorben: Christiane Harkort geb. Brenscheidt (1794-1879), geb. in Altena/Westfalen. Im Leipziger-Adreßbuch von 1875, wird sie auf S. 83 erwähnt: „Harkort’s Gstv. Ehrenbürgers und Ehrenkramers, K. S. Geh. Commerzienraths Wwe. Neuschönefeld.“

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05808)