Oszkar Asbóth an Hugo Schuchardt (02-177)

von Oszkar Asbóth

an Hugo Schuchardt

Budapest

02. 12. 1902

language Deutsch

Schlagwörter: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandeslanguage Georgischlanguage Russisch Munkácsi, Bernhard Khakhanov, Aleksander Salomonovich Tschubinow, David Erckert, Roderich von Brosset, Marie-Felicité Schuchardt, Hugo (1902) Schuchardt, Hugo (1895) Tsagareli, Alexander (1873) Tschubinow, David (1840) Erckert, Roderich von (1895) Brosset, Marie-Félicité (1834)

Zitiervorschlag: Oszkar Asbóth an Hugo Schuchardt (02-177). Budapest, 02. 12. 1902. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9091, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9091.


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Budapest d. 2. Dez. 1902
VI. Munkácsy G. 25

Sehr geehrter Herr Kollege!

Als ich Ihre interessante Besprechung v. Muncácsi in d. WZfKM1 las, war mein erster Gedanke Sie zu bitten mir womöglich einen SA. dieser Anzeige zuzusenden. Doch kann ich mir allmälig die wichtigsten Bemerkungen eintragen u. Sie dürften auch keine Sonderabdrucke besitzen. Da ich aber Veranlassung habe mich mit Muncácsi’s Werk eingehender zu beschäftigen, auch durchaus nicht eine so gute Meinung davon |2| habe, wie Sie, so möchte ich Sie, geehrter Herr Kollege, um freundlichen Rath bitten, wie ich mich am raschesten in das Georgische hineinarbeiten könnte. Ich suche vor allem eine rein praktische Grammatik mit verläßlicher Angabe des thatsächlichen Sprachgebrauchs, dann möglichst leichte Lektüre mit Übersetzung, ev. ein handliches Wörterbuch, das mir später bei nicht übersetzten Texten als Schlüssel zum Verständnis dienen könnte, obwohl ich nach den ersten Versuchen wol sehe, daß es zur Benutzung desselben schon eine gehörige Kenntniß des ganzen Sprachstammes bedarf. Deshalb gedenke ich auch so lang als möglich |3| blos Texte mit Übersetzung zu lesen.

Eine wissenschaftliche Darstellung nebenbei wäre mir allerdings höchst erwünscht u. ich hoffe sie in Ihrer Abhandlung zu finden, die Brockh. als „Über das Georgische Wien 1895“ zitiert u. die ich bestellt habe. 2Erst heute bin ich darauf gekommen, daß Chachanov in d. VII Bd d. WZfKM „Über den Stand der grus. Phil.“ handelt. 3Gern möchte ich auch eine Arbeit v. Cagareli4 u. Dakradse (über Svanetisch) 5verschaffen, zweifle aber daran, daß dieselbe leicht zu bekommen sein werde, da sie vor Jahren erschienen sind (Цагарели О грам. литера. грузинск. языка 1873).6 Die Arbeiten von Dakradse sind für d. Zwecke d. kauk. |4| Abt. d. k. russ. geogr. Gesellschaft VI. 1864 u. in Kabkabckie Biblteke 1862 erschienen. Cagareli hat auch „Das Buch der Weisheit u. Lüge“, Grusinische Fabel u. Märchen usw.), 17 u. 18 Jh. übersetzt u. erläutert, herausgegeben u. ich habe das Buch bestellt, das aber 1878 erschienen ist, so rechne ich nicht darauf, daß ich es bekomme, auch liegt mir zunächst mehr an ganz anderen Texten, da ich es für das Sicherste halte, immer vom gegenwärtigen Stand der Sprache in die Vergangenheit derselben einzudringen.

Sie erwähnen auch das russ.georg. Wörterbuch von T Čubinov7, ich glaub beinahe, daß mir dies gegenwärtig bessere Dienste leisten würde, als der wol auch schon theil- |5| weise veraltete I Theil, wo das Georgische voran steht. Darf ich um eine ganz knappe Charakteristik dieses russ. georg. Wrtb. bitten? Enthält es auch Phraseologie, etwa gar literarische Nachweise? Und wenn Sie auch noch auf die Frage antworten können, was kann es ungefähr kosten, d. h. ist es nicht sehr umfangreich?

Und jetzt, sehr geehrter Herr Kollege, entschuldigen Sie meine nichts andres wollende Frage. Sie werden dieselbe wahrscheinlich verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß ich im ersten Eifer Erckerts Buch8 u. Brosset’s Grammatik9 in die Hand bekommen habe u. daß ich einstweilen, bis ich Verläßlicheres |6| habe, auf so schwankem Fahrzeug dahinsteure. Ich brenne vor Begier, bald etwas zu bekommen, auf das ich sicher u. beruhigt bauen kann. Herr Kollege hat gewiß hundert und hundertmal dieses erste Stadium des Studiums einer neuen Sprache durchgemacht u. werden ein Verständnis für meine Noth haben. Daher ich mich in meiner Noth an den Mann gewandt habe, der im Stande ist mir zu helfen, werden Sie mir gewiß nicht verargen. Also nochmals meine Bitte wiederholend

Mit ausgez. Hochachtung

Ihr ergebener

Dr. O. Ásbóth


1 Schuchardt, „Árja és kaukázusi elemek a finn-magyar nyelvekben. I. kötet. Magyar szójegyzék s bevezetésül: A kérdés története“, Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 16, 1902, 286-297.

2 Schuchardt, Über das Georgische, Wien: Selbstverlag des Verfassers, Wien 1895.

3 WZKM 7, 1889, 311-337.

4 Alexander von Zagareli / Cagareli (1844-1929), georg. Sprachwissenschaftler

5 Auch „Suanisch, Swanisch“ (kaukasische Sprache).

6 Titel im Original kyrillisch. (Sanktpeterburg: Akad. nauk, 1873).

7 Davit' Č'ubinašvili / David Iseevič Čubinov, Gruzinsko-russko-francuzskij slovar, Sankt-Peterburg, Tip. Imp. Akad. Nauk, 1840.

8 Roderich von Erckert, Die Sprachen des kaukasischen Stammes, mit einer lithographierten Sprachenkarte, Wien: Hölder, 1895.

9 Marie Félicité Brosset, L' art libéral, ou Grammaire géorgienne, Paris: Impr. Lithographique de Roissy, 1834.

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