Oszkar Asbóth an Hugo Schuchardt (01-176)

von Oszkar Asbóth

an Hugo Schuchardt

Budapest

17. 03. 1901

language Deutsch

Schlagwörter: Verlagsbuchhandlung A. Hartlebenlanguage Georgisch Tiflis Wien Wolf, Michaela (1993) Schuchardt, Hugo (1895)

Zitiervorschlag: Oszkar Asbóth an Hugo Schuchardt (01-176). Budapest, 17. 03. 1901. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9090, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9090.


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Budapest, 17 März 1901

Geehrter Herr Kollege!

Besten Dank für Ihre beiden freundlichen Karten! Bes. die letzte hat mich sehr gefreut, hat sie mir doch ganz neue Aussichten eröffnet, denen ich möglichst entgegenzukommen gesucht habe. Ich habe gleich an die Verl.buchh. Hartleben1 u. an Herrn Dirr 2geschrieben. An Masing 3schreibe ich vielleicht später einmal.

Von Hartleben habe ich schon Antwort: Die Grammatik schreibt - Dirr! Der Druck geht langsam von Statten, so daß dieselbe erst im Herbst erscheinen wird. Das war mit ein Grund der freundlichen |2| Aufforderung mich an der Korrektur zu beteiligen nicht aus dem Wege zu gehen: so lerne ich wenigstens die Grammatik schon vorher u. auf das Gründlichste kennen. 4Auch habe ich bis zur Vollendung derselben noch Zeit genug gewaltige Fortschritte zu machen. Meine Lieblingslektüre ist gegenwärtig das Buch der Lüge u. der Wahrheit von Oberliani, das ich mit Cagarelli‘s Übersetzung mit wahrem Hochgenusse lese. 5Bin ich damit fertig, so gedenke ich auch 1001 Nacht u. die Andersenschen Märchen zu lesen, doch lese ich schon jetzt auch Originalmärchen. Die literar. Gesellschaft in Tiflis hat mich mit der liebenswürdigen Erklärung überrascht, daß sie mir alle georg. Bücher auf |3| Wunsch unentgeltlich zusenden will! So gilt es also nur mächtig vorwärts zu streben, um den angebotenen Schatz zu heben u. derartiges Entgegenkommen gibt Flügel! Inzwischen ist der Kampf zwischen mir u. Munkácsi6 in lichter Flamme ausgebrochen. Sie werden, bis Sie zurückkommen ein ganz furchtbares (??) Wundenregister schon beisammen finden. Doch muß ich schon gestehen, daß dies nicht die erquicklichste Seite meiner kaukasischen Studien bildet, doch dem Mann mußte man einmal den Spiegel vorhalten. Ich werde unbeirrt dadurch meinen Weg weitergehn u. plane für das nächste Jahr womöglich einen Ausflug nach Tiflis. Für heute muß ich mich |4| schon damit begnügen, in Petersburg jem. zu suchen, der georgisch kann, ev. vom Slavistentag einen kurzen Abstecher nach Moskau zu machen, um dort Chachanov 7aufzusuchen u. mir einige georg. Texte vorlesen zu lassen. Dort erfahre ich auch, ob vom kauk. сборник nicht einzelne Bände zu haben sind (X.II svanisch u. mingrelisch interessiren mich bes.),8 da die Anschaffung des ganzen Werkes f. unsere Bibliotheken zu theuer ist. Kennen Sie vielleicht eine Bibliothek, etwa in Wien od. sonst wo, die das große Sammelwerk besitzt? – Ihre Abh. über das Georgische9 hoffte ich auch wenigstens leihweise mir verschaffen zu können, doch in W. ist es nicht zu haben.

Mit freundlichem Gruß u. nochmaligem Dank

Ihr ganz ergebener

O. Ásbóth


1 Bekannter deutsch-österreichischer Verlag (mit wechselhafter Geschichte).

2 Adolf Dirr (1867-1930), deutscher Philologe, Linguist, Ethnologe und Kaukasusforscher; vgl. HSA 02347-02369.

3 Wolf, Nachlaß, 47 u. 263 vermutet, es handele sich um Emil Masing und gibt, richtig, dessen Geburtsdatum mit 1839 an. Er war aber zum Zeitpunkt der Briefabfassung bereits seit drei Jahren verstorben († 1898). Möglicherweise handelt es sich um seinen Sohn Oskar (1874-1947), der später ein bekannter Baltist wurde.

4 Wie die folgenden Briefe zeigen, hat sich erstens der Druck noch weiter hinausgezögert, und hat sich zweitens Asboth tatsächlich in den Korrekturvorgang eingebracht.

5 Sulxan-Saba Orbeliani, Çigni sibdrdzne – sicrwisa, Tphilisi,1903.- Die Weisheit der Lüge, eine Sammlung von Fabeln und Erzählungen, die Sulkhan-Saba Orbeliani zwischen 1686 und 1695 geschrieben hat.

6 Bernhard Munkáksi (1860-1937), Schreibung meist „Munkácsy“, ungar. Orientalist; vgl. HSA 07597-07601.

7 Aleksander Salomonovich Chachanov / Khakhanov (1864-1912), vgl. HSA 05534 (vgl. Wolf, Nachlaß, 38, mit falschen bzw. unvollständigen Lebensdaten).

8 Sbornik materialov dlja opisanija mestnostej i plemen kavkaza

9 Schuchardt, Über das Georgische, Wien: Selbstverlag des Verfassers, 1895.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 176)