Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (39-13096)

von Anna von Zwiedineck

an Hugo Schuchardt

Graz

06. 06. 1904

language Deutsch

Schlagwörter: Engler, Karl Zwiedineck-Südenhorst, Hans von Graz

Zitiervorschlag: Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (39-13096). Graz, 06. 06. 1904. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9025, abgerufen am 22. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9025.


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Graz 6.6.04

Verehrter Freund

Ihr Brief hat mich sehr erfreut, sah ich doch daß Sie es noch vermögen sich von sich selbst zu emancipiren. Abends nach Friedenau1 in Gesellschaft zu fahren ist immerhin eine Überwindung. Es scheint als ob das ewige Einerlei – das Stagnieren unserer Verhältnisse am meisten Ursache an Ihrem Isolement trügen. Ich vermute Sie wohl u. von Kopenhagen auf das Angenehmste angesprochen. Es soll ja |2| nebenbei gesagt die lasterhafteste Stadt in Europa sein – das muß doch irgendwie zum Ausdruck kommen – u. wie ein elektrischer Funke – anregen.

Stockholm nehmen Sie wohl auch mit?2 Avisirt ist man dort schon – von Ihrer eventuellen Ankunft. Auch Freund Hallavanya3 bummelt jetzt dort oben herum aber seine letzte Karte ist aus Bremen – auch bei ausnehmend schönem Wetter. Hier ist schon Hochsommer – die hohe Temperatur u. die |3| täglichen Gewitter en vue rauben mir auch alle Kraft u. Intelligenz – ich hätte sonst längst schon geschrieben – kann aber nicht mehr schreiben. Ob ich noch vor der Übersiedlung zur Erholung weggehe – ob aber erst im Juli – nachher das weiß ich auch noch nicht. Ebenso wenig ob ich einen Karlsbader séjour nehmen werde auch nicht wann. Sie werden uns wohl mitteilen was Ihre weiteren Pläne sind – es ist ganz unheimlich u. traurig Sie in der weiten Welt draußen zu wissen! |4| Unser Sohn Otto bat auch bei Ihnen zu interveniren daß Sie Karlsruhe auf Ihrer Rückreise besuchen. Er sowie Engler4 würden sich darüber groß freuen. – Er legt Ihnen sogar sein home zu Füßen – der Unerfahrene weiß noch nicht daß Sie im Hotel Palaste unterzukommen gewohnt sind.5

Und nun Ade! Meine Finger striken für heute – es ist ein renitentes Volk.

Sonst ist alles all right. Hans ist Gottlob wohl u. grüßt Sie herzlichst.

Versehen Sie mich manchmal
mit Nachricht reisen Sie glücklich
deß freut sich innigst Ihre

Anna Zwiedineck


1 Bei Fieberbrunn in Tirol? Das sind ca. 280 km.

2 Nachdem Schuchardt im März/April 1904 in Kopenhagen gewesen war, reist er im Juni in Stockholm und Upsala.

3 Vermutlich ein Verwandter der Malerin Emilie von Hallavanya (1874-1960).

4 Karl / Carl Oswald Viktor Engler (1842-1925), Professor für chemische Technologie und Direktor des chemisch-technischen Laboratoriums der Polytechnischen Schule Karlsruhe; vgl. HSA 02744-02757.

5 Wohl ein Scherz, denn das Palace wurde von Markgraf Wilhelm von Baden-Durlach 1815 als Residenz der Markgrafen und Großherzöge von Baden errichtet und bestand in dieser Funktion bis 1918.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 13096)