Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (31-13088)

von Anna von Zwiedineck

an Hugo Schuchardt

Graz

20. 01. 1903

language Deutsch

Schlagwörter: Zwiedineck, Rosa Zwiedineck, Margarethe von Graz Kairo Brasilien Indien Ägypten Algier

Zitiervorschlag: Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (31-13088). Graz, 20. 01. 1903. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9017, abgerufen am 25. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9017.


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Graz, 20/1 03

Verehrter Freund

aus Ihrem Briefe heute entnehme ich, daß Sie meinen Begrüßungsversuch nach Cairo doch erhalten haben1 – was mich fast wunderte – da ich ihn wirklich in halber Geistesabwesenheit adressirte u. absandte. Ich hatte Ihnen am 6. Abends geschrieben u. unmittelbar darauf die Todesnachricht meiner lieben Schwägerin erhalten, wir haben noch die selbe Nacht meinen armen Schwager2 zu uns genommen – u. all den Trubel den solche eine traurige Affaire bringt mit ihm u. seinen Söhnen bei uns durchgemacht. Jetzt ist wieder alles verlaufen u. eine lange ersehnte Stille ist endlich eingetreten – die ich aber wirklich schon benötige um meinen übrigen socialen Verpflichtungen wie Besuche u. Briefe u. dgl. nachzukommen. –

|2| Daß Sie die Seefahrt so gut überstanden hat mich sehr beruhigt – schon wegen der Heimreise in 1. Linie? Gegenwärtig scheinen Sie sich unter dem gesegnetsten Himmelsstriche zu befinden denn wir leben hier unter20 Grad Celsius, in Brasilien woher ich gestern einen Brief erhielt, lebt man zwischen 30 – 50 Grad über – auch in Delhi woher ich vor einigen Tagen Nachricht bekam – hat man sich bei den Krönungsfeierlichkeiten arg verkühlen können, da es Nachts bei 4 Grad in Zelten zu schlafen wenn sie auch noch so königlich eingerichtet – u. selbst mit Kaminen versehen waren – doch recht unbehaglich kühl sein konnte. Nur aus Ihrem Briefe atmet ein mit normaler Wärme gesegneter Mensch. – Wirklich ein angenehmes Empfinden für uns – Polarländler. –

|3| Daß Sie aber mit Ihrer Gesundheit d. h. dem Magen nicht ganz in Ordnung – beklage ich sehr. Ich kann nicht umhin Ihnen doch eine leichte Kasteiung anzuempfehlen wie auch Gräfin Meraviglia die in ihren Reiseerinnerungen aus Indien – die gedruckt vor mir liegen – dasselbe befolgte3trotz des orientalischen Dictums bei Unwolsein oft und viel zu essen!

– Es thut mir eigentlich leid, daß ich nicht doch für ein Weilchen mitgegangen u. mir Cairo – Sued- Egypten das ich durch B.rin Eveline Kosjeks Schilderungen4 schon so gut kenne – selbst angesehen. Brin. Kosjek hat ja das grosse Massacre in den 80er Jahren dort mitgemacht – ebenso mein Neffe Graf Logothetti.5 Ich kann also der Führung Mme Franz Pascha’s6 entraten werde mir auch den Bädeker zur Hilfe nehmen – wenn ich Sie in Gedanken begleite. Richter7 will demnächst nach Algier ¬– doch sucht er noch einen Begleiter – eine halbe Zusage hat er schon.

|4| Was die cause célèbre Apfaltern anlangt konnte ich noch nichts Bestimmtes erfahren – es wird wohl ihr „Giron“ sein? Besonders günstig wird ja schon seit langem nicht über sie gesprochen.8 Mit europäischen Zeitungen sind Sie ja gewiß versehen u. die chronique scandaleuse wird Sie ja auch am Fuße der Pyramiden noch genügsam beschäftigen. Sie ist auch wieder darnach! – In Graz gibt [es] vorderhand nichts Bemerkenswertes. Bei uns daheim u. den damit verbundenen Orten Kaschau –Karlsruhe geht’s gut. Zu Bauers9 will ich heute mit Ihrem Briefe – Freude verbreiten.

Ihre Idee mit Karten zu beglücken ist herrlich bitte gedenken Sie dabei auch unserer Rosa – (Kaschau Mariaudvar)! Und wenn Sie würfeln – Schrift oder Kopf – so geben Sie mir die Schrift. – (ich nehme aber auch K.) Und Gott befohlen. – Seien Sie vorsichtig u. maßvoll – immer leichte Tricots! Mein Mann grüßt Sie herzlich, er findet Sie hätten doch das schönste Leben. Auch von Greta alles Herzliche desgl. Fleischhackers.

Gedenken Sie wieder Ihrer alten Freundin

Anna Zwiedineck


1 Brief HSA 13087 (dat. 6.1.1903).

2 Nicht identifiziert. – Ihr Schwiegervater Ferdinand Zwiedinek Edler von Südenhorst (1791-1872) hatte fünf Söhne und zwei Töchter.

3 Gräfin Olga Meraviglia, Reiseerinnerungen aus Indien. Als Ms. gedruckt, Graz: Leykam, 1902, 286 S. ; 8°.

4 Eveline Baronin von Kosjek, Gattin des österr. Diplomaten u. Dolmetschers Gustav v. Kosjek (1838-1879). Offenbar hatte sie Anna von Zwiedineck mündlich berichtet.

5 Hugo II. Graf von Logothetti (1852-1918) war ein österreichisch-ungarischer Diplomat und der letzte Gesandte der k. u. k. Monarchie in Teheran. Am 17. Juli 1886 vermählte er sich mit Frieda Barbara Freiin Zwiedinek von Südenhorst (1866-1945).

6 Julius Franz (1831-1915), aus Deutschland stammender Architekt, der lange in Ägypten gelebt hatte und seinen Lebensabend in Graz verbrachte.

7 Eduard Richter (1847-1905), österr. Geograph und Glaziologe in Graz. Auf eine Algier-Reise wurden keine Hinweise gefunden.

8 Nicht geklärt, um welches Mitglied der Familie Apfaltern es sich handelt.

9 Adolf (1855-1919) Bauer, Historiker in Graz, und seine Frau Mela.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 13088)