Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (21-13078)

von Anna von Zwiedineck

an Hugo Schuchardt

Graz

17. 04. 1898

language Deutsch

Schlagwörter: Doelter, El. Zwiedineck-Südenhorst, Hans von Graz Venedig München

Zitiervorschlag: Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (21-13078). Graz, 17. 04. 1898. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9007, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9007.


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Graz 17/4 98

Werden Sie meinen Brief überhaupt noch lesen? – – – Ich mache mir selber schon die ernstesten Vorwürfe – aber ohne Erfolg – ich vergesse einfach auf alles! – Ihren Auftrag Alfons Bilder anzusehen1 kam ich nach – aber auch ohne Erfolg – ich finde kein Sujet welches mich anspräche; – die kleinen Sachen sind reizend – aber zu klein – und die großen sind mir zu bekannt. In der Ausstellung fand ich kleine Oelbilder2|2| die nicht ohne sind und fabelhaft billig –. Oder wollen Sie eine Eleonore Doelter3 kaufen? deren Bilder auch ausgestellt sind – und das getreue Abbild des Charakters der Schöpferin darstellen. Nicht unbedeutend aber – hart und reizlos! – 200 bis 300 fl. muß der Mäcen abgeben um in den Besitz dieser Werke zu gelangen! –

Für den Gothaer Schmiedeeisen Candelaber oder Girandole4 bin ich sehr eingenommen – einer stabilen Menage kann man derartiges sicher geben – er ist eine sehr |3| hübsche Zier der Wohnung das Gewicht fällt höchstens beim Transport in Frage. Ich würde Ihnen rathen sich um Frachtgebiete [gem. Frachbetriebe ?] naeher zu erkundigen – ich bin mit einem Girandole von Venedig (für Rosa) – reingefallen. Ich bin immer für Geschenke von weither – für Menschen wie Anton – die ohnehin alles kaufen können hat etwas weit hergebrachtes viel mehr Wert!

Wenn Sie nichts Besseres finden – werde ich in Wien bei der Secessionsausstellung an Sie denken.5 Ich gehe Anfang Mai hinaus. In München gibt es jetzt so viele |4| Gegenstände der neuen Style6 ( Leffler)7 – die entzückend sind – bis das zu uns kommt dauert das 3 Jahre!

Jetzt werden Sie noch ungehaltener auf mich sein – u. ich kann nichts dafür! – Ich bin eben immer zu dumm für meine Verhältnisse! Ihrem lieben guten Mütterchen küsse ich innigst die Hände! Ich kann Ihnen wohl ganz nachempfinden, wie traurig Sie gestimmt werden ¬¬¬– beim Betrachten der vielen Schäden – welche das Alter im Organismus verbricht – glauben Sie mir der einzige Trost ist der – daß die betreffende geliebte Person es nicht so schwer empfindet als wir es glauben. –

Die Meinen grüßen herzlichst um 1 Sonntag noch verlebten wir gemeinsam – dann Ave!

Und das Scheiden thut weh! – Hans ist in Nürnberg- Venedig.
Und nicht böse sein Ihrer sehr deprimierten alten
Freundin


1 Man ist versucht, an Alfond Mucha (1860-1939) zu denken!

2 Original „Ohlbilder“.

3 Eleonore Doelter (1855-1937), österr. Malerin. Sie war zeitweise verh. mit dem Grazer Professor Cornelio August Doelter y Cisterich (1850-1930), dem Sohn eines Plantagenbesitzers in Arroyo, seit 1883 o. Prof. für Mineralogie in Graz, ab 1907 in Wien.

4 Ständer für Kerzen – aus dem Besitz (Nahlaß) von Malvine Schuchardt?

5 Die erste Ausstellung der Wiener Secession (Vereinigung bildender Künstler Österreichs) fand 1898 in Wien, ein Jahr nach der Gründung, statt.

6 Eine der Bezeichnungen für „Jugendstil“.

7 Heinrich Leffler (1863-1919), österr. Maler, Graphiker und Bühnenbildner.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 13078)