Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (16-13073)
an Hugo Schuchardt
28. 01. 1896
Deutsch
Schlagwörter: Fleischhacker, Robert von Schuchardt, Malvine Zwiedineck-Südenhorst, Hans von Graz Florenz Gotha
Zitiervorschlag: Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (16-13073). Graz, 28. 01. 1896. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9002, abgerufen am 03. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9002.
Graz 28/1 96
Lieber Freund
Sie werden eine schlechte Vorstellung von meiner Anhänglichkeit und Treue haben, nachdem ich Ihnen so wenige Beweise meines Gedenkens sende! Könnte ich Ihnen nur recht Frohes sagen – wie oft und gerne thäte ich es – aber die Nachrichten die ich von Ihnen höre sind nicht sehr trostreich. Mela1 sagte mir gern2|2| Ihr letzter Brief sei wieder hoffnungsvoller – doch das gilt wohl leider immer nur für Tage! –
Und während Sie am Krankenbette der geliebten Mutter hangen und bangen – stürzen wir hier von einem Vergnügen zum andern! – Nun Vergnügen möchte ich’s wohl nicht nennen – es ist so quasi Pflicht, wenn auch mitunter eine angenehme!
Vor wenigen Tagen haben wir die Hochzeit meiner Nichte Helene 2 gefeiert – wobei meine arme Schwägerin bald unter die Pferde gekommen wäre – es war eine aufregende Scene – die zum Glücke dem |3| jungen Paare entgieng! – Und seither geht alles wieder seinen alten Gang –!
Fleischhackers3 werden endlich von der englischen Invasion befreit – diese wird sich nun nach Florenz ziehen - & jene werden aufathmen! trotz aller Schwesterliebe! – Und ich meine das nicht hinterhältig – aber das sind exigeante Menschen! Daß sich Frl. von Solzer mit dem Grafen Stürgkh4 und Martha Riel mit einem Herrn von Mauthner – (gestern) verlobt haben, wird Sie nicht sehr interessiren – aber Sie kennen ja Beide?5 Sie haben wohl keine Idee – wie lange Ihr Aufenthalt in Gotha noch dauern werde – denn auch im Falle der Besserung ist eine Trennung schwer denkbar!6 – |4| Das ist wohl eine der schwersten Stunden – die Ihnen das Leben gebracht hat u. wohl auch bringen wird! – Wie oft denke ich mich in Ihre Lage –! Könnten Ihnen diese Gedanken nur etwas Stütze sein – – sie nützen ja oft nicht so schlecht, – besonders im praktischen. Wie sind Sie mit Pflege und Wartung zufrieden – reicht Auguste? – Ist die „Schwester“ abgedankt? – Gar nichts, – gar nicht weiß und ahnt man voneinander! –
Küssen Sie Mama die Hand recht recht inniglich! – Armer Freund – Sie thun das gewiß ungezählte Male! –
Ihrer denkt immer treuestens
Anna Zwiedineck
Von meinem Manne viel – viel Herzliches! –
1 Mela Bauer, Frau von Adolf Bauer; vgl. HSA 00678-00803. Sie war die Tochter des Obersten Emanuel Smekal.
2 „gestern“?
3 Robert Frh. v. Fleischhacker (1855-1937), Anglistikprofessor in Graz; vgl. HSA 03060-03069; er war verh. mit Helene (??). Hier sind vermutlich Besucher aus England gemeint, möglicherweise sogar Verwandte der Ehefrau. - Fleischhacker war zeitweise Grazer Bürgermeister.
4 Karl Stürgkh (1859-1916), österr. Politiker aus Graz, zeitweise Ministerpräsident.
5 Keine entsprechenden Hinweise im HSA.
6 Im April 1896 weilt Schuchardt in Neapel! Es muß sich also eine Besserung eingestellt haben.