Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (07-13064)

von Anna von Zwiedineck

an Hugo Schuchardt

Graz

20. 09. 1887

language Deutsch

Schlagwörter: language Spanischlanguage Baskisch Graz

Zitiervorschlag: Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (07-13064). Graz, 20. 09. 1887. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8993, abgerufen am 16. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8993.


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Graz 20/9 87

Lieber Freund

herzlichen Dank für Ihren Brief der mich großartig gefreut hat – und am allermeisten daran die Aussicht Sie bald wieder zu sehen, – ob Sie nun spanisch, baskisch oder meinetwegen wie der eiserne Roland1 toilettirt sind! – Die Bestätigung dessen was ich Ihnen sage – würden Sie am besten dadurch bekommen – wenn Sie gesehen hätten, – aus welchem häuslichen Einsiedetrubel2 ich mich schleunigst herausgerettet habe – um Ihnen zu antworten. Ich – |2| will nämlich schon seit langem von Ihnen hören – allein – alles was auswärts war – traf ich noch nicht – und die Zurückgebliebenen scheinen im heißen August Dornröschen’s tiefen Schlaf gethan zu haben! – Nur einmal hörte ich durch 3. Mund, daß Ihre arme Mama wieder übler geworden sei – aber es war eine unzuverlässige Quelle – – und ich tröstete mich, daß dies vielleicht ein Bericht älteren Datums sei – wie es auch scheint. Bitte, sagen Sie ihr, daß ich ihre lieben Hände küsse, und mich sehr, sehr freue, Sie wieder wohlbehalten – bei Ihnen zu wissen.

Sie werden gerade noch a tempo nach Graz kommen – |3| den großen Kronprinzenempfang3 mitzumachen – es rüstet sich ja schon Alles zu dem Spectakel! Allerdings, wenn die vielen Gerüchte, welche über das erlauchte Paar in Umlauf gesetzt sind – nur ein Körnchen Wahrheit enthalten – steht es sehr in Frage – ob wir das Glück haben werden – auch Madame la princesse héréditaire zu sehen –.4 Nun, qui vivra verra –. Ich würde an die ganze Geschichte nicht denken, wenn nicht Hans ab und zu stark beschäftigt wäre damit. – Jetzt geht ihm’s Gottlob wieder leidlich gut – aber es war nicht immer so „gewesen“. Unsere schönen Ferien sind uns durch den infamen Keuch- |4| husten arg verdorben worden – selbst die gepriesene Luftveränderung hat keine Wirkung – bei meinen armen Patienten gethan. Wir hatten uns in Reichenhall etabliert – da ein Curort Kranken ja immer zugänglich sein muß – wer weiß – ob man uns anderswo behalten hätte! Nun mündlich – was ja hoffentlich nicht ferne steht mehr – vieles mehr! Freilich, machen Sie sich gefaßt – eine recht tiefe herbstliche Stimmung bei mir zu finden – aber ich gebe mir viele Mühe ruhig zu überwinden! – Genießen Sie noch die schönen Tage mit Ihrer Mama – wie beneide ich Sie darum! ---

Alles Herzliche von den Meinen
Allen u. von Ihrer aufrichtigen

Anna Zwiedineck

NB. Soeben höre ich, daß auch Bauers schon zurück – sollten Sie von Marie etwas wünschen – könnte nicht Hans oder Bauer es besorgen?


1 Der „eiserne Gustav“ oder der „rasende Roland“?

2 Einwecken, Einkochen, Einmachen – im Herbst …

3 Kronprinz Rudolf von Österreich (1858-1889), dessen Leben zwei Jahre später auf nie ganz geklärte Weise in Schloß Mayerling endete.

4 Rudolf war auf Druck seines Vaters seit 1881 mit Stephanie, der Tochter des belgischen Königs Leopold II., verheiratet.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 13064)