Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (06-13063)
an Hugo Schuchardt
08. 07. 1887
Deutsch
Schlagwörter: Meyer, Gustav Bauer, Adolf Graz
Zitiervorschlag: Anna von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (06-13063). Leibnitz, 08. 07. 1887. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8992, abgerufen am 10. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8992.
Leibnitz 8/7 87.1
Lieber Freund
ich beantworte Ihren lieben Brief noch von meiner provisorischen Villegiatur aus, welche ich morgen verlassen werde, – um für einige Wochen nach Graz zurückzukehren. Ich war so herabgekommen, daß an eine weitere Reise – gar nicht zu denken gewesen wäre – und so schickte mich Hans einstweilen hieher – in diese absolute Ruhe und Einsamkeit – die mir recht wohl gethan hat. Seit 2 Nächten kann ich ruhig schlafen – |2| ein Segen den man erst empfindet – wenn man so wie ich 6 Wochen total schlaflos – oder von den gräßlichsten Bildern gequält – sich auf dem Bette herumgewälzt hat! Der arme Hans hat recht viel ausgestanden meinetwegen!
Sie sehen, schon aus diesem Grunde meiner Abgeschlossenheit kann ich Ihre brennende Frage nach Meyer2 nicht beantworten – Hans scheint nichts Abnormales zu bemerken und außer der armen Seuffert3 die in den letzten Wochen ein rechtes Malheur – durch Börners4 Mangel an Präcision hatte – besuchte ich niemanden. |3|Bauer’s5 dürften wohl am ersten au fait sein – denn die frequentieren ja doch die meisten, die weitesten Kreise! Wissen Sie, daß mir Ihre Schilderung der reizenden franz. Gegenden6 – Lust – große Lust gemacht – eine der nächsten Ferien dorthin zu wandern – das kann doch die Welt nicht kosten – ? – Es ist schon seit Langem mein Wunsch – einen Winter in der France méridionale zuzubringen – wenn es im Herbst sein könnte, könnten wir wenigstens Alle gehen! Ist’s nicht zu heiß –? Wenn Sie uns mit Ihrem Namen Bahn brechen helfen – werden wir ja auch nicht ganz verlassen sein! |4| Ich denke, wir werden noch Gelegenheit finden, das zu besprechen. –
Über Ihre verehrte Mama möchte ich Sie doch etwas beruhigen – in dem Alter erholt man sich nicht mehr so rasch – und solange Sie sie haben – verküm[m]ern Sie sich diese herrliche Zeit nicht mit Grübeln u. Sorge – freuen Sie sich Ihrer – und machen Sie Ihr – alle Freude – des Schmerzes ist dann auch genug für’s Leben! Meine Schwiegermutter war auch so zart, und hat 5 ganz anständige Lungenentzündungen durchgemacht. Nur eine weise Schonung – und viel gute Luft! –
Ich möchte Ihnen gerne Ihren Theil Sorge abnehmen – ich spürte kaum ein mehr! –7
Ich freue mich aufrichtig von Ihren Resultaten Erfolgen & sonstigen Aventiuren zu hören – das glauben Sie Ihrer getreuen
Von Hans vieles Herzliche
1 Stadt in Steiermark.
2 Gustav Meyer (1850-1900), Indogermanist; Grazer Kollege Schuchardts.
4 Ernst Börner (1843-1914), seit 1880 Prof. der Geburtshilfe u. Gynäkologie in Graz.
5 Adolf (1855-1919) Bauer, Historiker in Graz, und seine Frau Mela.
6 Schuchardt ist zu diesem Zeitpunkt noch in Sara im Baskenland.
7 Original verbessert, gem. ist wohl, daß Sie selber genug Sorgen habe und die um Schuchardts Mutter keine weitere Last bedeuten würden.