Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (157-09345)

von Leo Reinisch

an Hugo Schuchardt

Maria Lankowitz

30. 06. 1918

language Deutsch

Schlagwörter: language Französisch Rhodokanakis, Nikolaus

Zitiervorschlag: Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (157-09345). Maria Lankowitz, 30. 06. 1918. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8974, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8974.


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Lankowitz 30.6.1918

Hochverehrter lieber Freund,

Ein Jahr ist um, seit wir uns geschrieben haben. Nicht Lauheit u. Gleichgiltigkeit ist die Ursache daß ich nichts von mir hören ließ. Meine Augen protestieren gegen lesen u. schreiben. Ein Jammer! Aber der Mensch gewöhnt sich manches ab, wenn die Natur es gebietet. Von Ihnen hörte ich doch zu verschiedenen Malen durch Briefe von Rodokanakis u. freute mich zu lesen daß Sie gesund seien. Das bin ich auch, bis auf mein Augenübel, obschon ich schon noch etwas lesen u. schreiben darf.

Heute veranlaßt mich aber eine Bitte die ich an Sie richten muß. Vor meiner Uebersiedlung hieher habe ich meine Handbibliothek an die Universitäsbibliothek in Wien geschenkt. Nun benötige ich eine französische Grammatik. Ich will nemlich meine Nichte, ein 12jähriges Mädchen, französisch lehren. Auf Anraten habe ich kommen lassen: E. Riha, Französiches Lehr-und Lesebuch für Bürgerschulen. Wien: Tempsky 1916.1 Allein |2| wie ich jetzt sehe, ist das eine nach meinem Gefühl ganz unbrauchbare Grammatik u. geeignet, Anfängern das Lernen zu verekeln. Ich habe seinerzeit zu meinem Studium gebraucht die franz. Grammatik von Plötz. Allein diese habe ich aber auch an die Bibliothek geschenkt u. im Buchhandel habe ich sie nicht wieder bekommen können.2 Nun muß ich schon zu Ihnen meine Zuflucht nehmen. Welch praktische Grammatik (für Anfänger) empfehlen Sie mir? Sollten die etwa eine solche besitzen, so bitte ich, schicken Sie mir diese leihweise, bis ich sie im Buchhandel bestellt habe, worauf ich natürlich Ihr Exemplar dankend zurückgeben werde. Wörterbuch u. Texte habe ich noch selbst im Besitz.

Seien Sie mir doch nicht böse über meine Zudringlichkeit, Sie sind eben mein Rettungsanker.

Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohlbefinden
u. innigsten Grüßen

Ihr
Leo Reinisch


1 Ernst Řiha / Johann Ellinger, Französisches Lehr- und Lesebuch für Bürgerschulen, Wien: Tempsky, 1916.

2 Karl Julius Ploetz, Französisches Lehr- und Lesebuch für Bürgerschulen, Berlin: Herbig, 6. Verb. Aufl., 1900 (zahlreiche Ausgaben).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09345)