Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (151-09340)

von Leo Reinisch

an Hugo Schuchardt

Wien

22. 05. 1916

language Deutsch

Schlagwörter: Universität Graz Universität Wien Schroeder, Leopold von Bauer, Adolf Rhodokanakis, Nikolaus Wien Graz

Zitiervorschlag: Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (151-09340). Wien, 22. 05. 1916. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8968, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8968.


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Wien, 22.5.1916

Hochverehrter lieber Freund,

Ich danke bestens für Ihre Karte u. den heute angekommenen Brief. Ihr Kandidat1 ist wol mit vielen Unterschriften in Vorschlag gekommen u. Schröder u. ich haben auch Wahlstimmen willfährig gefunden, aber der Gegenkandidat ist gefährlich; gefährlich vielleicht weniger als Excellenz, sondern weil er Historiker ist; denn die Historiker herrschen gegenwärtig in der Klasse. Die Klasse zählt gegenwärtig 25 Mitglieder u. darunter 11 Historiker und Juristen, die mit den Historikern stimmen. In unserer Klasse erhält der von den Historikern vorgeschlagene Kandidat fast sicher die Majorität u. die Stimmen dieser sind meist maßgebend für die andere Klasse. Am 29. Abend ist Zusammenkunft beim Präsidenten, bestimmt für den Aushandel der Akademiker; dort werden wir für unsere Kandidaten uns zwar kräftig einsetzen, ob aber auch mit Erfolg? |2| Auch Prof. Junker2 wird kaum durchdringen; 1 Stelle frei u. 10 Vorschläge erstattet, darunter Bauer3 von den Historikern vorgeschlagen, der also wol gewählt werden wird. Uebrigens ist ja Bauer sehr bedeutend als Historiker, aber deshalb ein wichtiger Papabile.

Um Rhodokanakis tut es mir sehr leid daß er sich so aufreibt. Er ist ein wirklich sehr braver Mann, aber gesund ist er nicht seit langen Jahren u. wenn er dazu sich gar nicht schont, so ist di Sorge für sein Befinden wirklich gerechtfertigt.

Wann ich nach Graz komme, weiß ich noch nicht. Für den Fall daß ich doch übernachte, dann besuche ich Sie ganz sicher. Ich freue mich sehr, Sie wieder einmal sprechen zu können. Daß Sie Ihre Briefe diktieren, wie ich sehe, ist schon recht, nur fürchte ich daß Sie dies tun wegen Unwolsein und das müßte ich beklagen.

Herzlichst
Ihr L Reinisch


1 Simonyi; vgl. HSA 09339.

2 Hermann Junker (1877-1972), kathol. Priester, deutsch-österr. Ägyptologe, leitete im Winter 1909/10 die erste offizielle österreichische Grabung in dem kleinen Ort Tura in der Nähe von Kairo aus, wo reiche prähistorische Funde gemacht wurden.

3 Adolf Bauer (1855-1919), österr. Althistoriker, Prof. in Graz u. Wien; vgl. HSA 00612-00640.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09340)