Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (128-09317)

von Leo Reinisch

an Hugo Schuchardt

Mali Lošinj

31. 03. 1914

language Deutsch

Schlagwörter: Mali Lošinj Lussino Graz

Zitiervorschlag: Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (128-09317). Mali Lošinj, 31. 03. 1914. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8945, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8945.


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Lussinpiccolo 31.3.1914

Lieber Freund.

So eben geht mir Ihre Karte v. 24/3 zu woraus ich ersehe daß Sie meine Karte von hier1 unterdes nicht oder noch nicht erhalten haben. Ich befinde mich wieder wol, denn die Luft auf Lussin wirkt auf meine Atmungsorgane geradezu wunderbar. Wenn nur di andern Factoren etwas besser wären. Trotz dieser ist aber Lussin piccolo von Fremden überflutet. Alle Hôtels überfüllt u. di Kost recht mittelmäßig. Aber die Luft wirkt auf mich wunderbar so daß ich alles andere was nur Ungemach ist, gerne übersehe u. nur di Luft auf mich wirken lasse. Ich habe hier ein passables Zimmer gefunden u. muß mich da behelfen, trotzdem ich meine Nichte im selben Zimmer wohnen habe. In meinem 82-Lebensjahr bedarf ich eben etwas Bedienung u. so habe ich eine |2| sogenannte spanische Wand zwischen zwei Betten aufstellen lassen, um dann ungeniert zu sein; zwei Zimmer im gleichen Hause sind nicht zu erzielen. Den Tag über bin ich vielfach im Freien u. mein Lungenasthma bessert sich sichtlich, ich atme da so leicht. Wenn ich zu Hause bin, dann liest mir die Nichte Zeitungen vor, weil ich mein Auge doch sehr schonen muß. Wenn nicht das Klima auf Lussin so gut auf mich einwirken würde, so möchte ich noch lieber auf Brioni mich aufhalten, wo ich im Herbst eine Woche weilte, allein die Luft tut mir dort nicht gut. Zimmer, Kost, Bedienung, alles waere dort besser als hier, allein die Luft auf Lussin ist eben ganz u. gar insular u. die salzig feuchte Luft ohne Landwind ist wunderbar in ihrer Wirkung auf Atmungsorgane.

Ich bleibe noch etwa 3 Wochen da, dann wird di Witterung auf dem Gebirge in Steiermark gut sein |3| u. so bleibe ich dort bis Anfang Mai, um dann wieder nach Wien zu gehen.

Wenn Sie mir schreiben, so bitte ich poste restante zu adressieren, weil da Briefe nicht so leicht in Verlust kommen.

Wie geht es Ihnen u. was haben Sie vor? Auf der Rückreise sehe ich Sie doch wol in Graz; diesmal konnte ich Sie nicht besuchen, um nicht meinen damaligen Schnupfen in Ihr Haus zu tragen.

Herzlichst
Ihr Leo Reinisch


1 HSA 09316.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09317)