Hugo Schuchardt Archiv

Wien, 15.12.13

Lieber verehrter Freund.

Nun hat mir der Arzt gestattet täglich bei Unterbrechung ein Paar Stunden zu lesen oder zu schreiben. An Sie schreibe ich zuerst. Eine langweilige Zeit habe ich hinter mir u. trotz meiner langen geistigen Hungerkur ist das Resultat nicht ganz befriedigend. Das rechte Auge ist wieder normal, das linke aber zeigt noch immer eine Trübung der Netzhaut welche nach dem Ausspruch des Arztes nicht mehr ganz behoben werden dürfte.

Nächsten Sonntag fahre ich nach |2| Steiermark u. zwar zunächst nach Lankowitz wo ich bei dem mir befreundeten Bezirksarzt D^r Leschak ein Absteigequartier besitze. Wird die Witterung günstig, so gehe ich auf Reinischhof, sonst aber bleibe ich bis 8-10. Jänner in Lankowitz u. dann wieder nach Wien. Auf dem Rückweg bleibe ich vielleicht etwas in Graz u. in diesem Fall erlaube ich mir Sie zu besuchen. Wie geht es Ihnen? Es möchte mich sehr freuen zu hören daß Sie ganz wol seien.

Meine geschwächte Sehkraft muß ich |3| mir leider gefallen lassen. Ich hätte sogerne die nilotischen Sprachen übersichtlich behandelt, weil ich ziemlich viel dar gearbeitet habe, allein ich muß wol verzichten. Von der Akademie aus ist dem Dr Czermak¹ eine Subvention zugewandt worden daß er diesen Winter in Kairo die Kordofanstudien fortsetze, um dann so vorbereitet im J. 1914/15 in die Kordofanberge zu gehen u. dort ergiebig arbeiten zu können.

Nun Adieu! Mit den besten Wünschen
u. Grüßen für Sie

Ihr
getreuer
L. Reinisch