Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (39-09229)

von Leo Reinisch

an Hugo Schuchardt

Wien

06. 05. 1910

language Deutsch

Schlagwörter: Accademia dei Lincei (Rom) Koninklijke Akademie van Wetenschappen (Amsterdam) Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien) D'Ovidio, Francesco Meyer-Lübke, Wilhelm D´Ancona, Alessandro Meinhof, Karl Wien Meinhof, Carl (1912)

Zitiervorschlag: Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (39-09229). Wien, 06. 05. 1910. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8856, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8856.


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Wien, 6.5.1910

Lieber Freund,

Vorerst meine herzlichste Gratulation zu Ihrer Mitgliedschaft der Lincei1 u. der Amsterdamer Akademie,2 wovon ich durch Ihr Schreiben Kenntnis erhalte.

Was nun Ihren Wunsch nach Erwälung von d’Ovidio anlangt,3 so ist diese selbstverständlich nur dann möglich, wenn Sie ihn zum Mitglied vorschlagen, M.-L.4 wird es nicht tun und ein anderer kann u. darf es nicht tun weil wir alle hier in Wien nicht Romanisten sind. Daß die Provinzialen nur Stimmvieh seien, ist deren Schuld, nicht die unsrige, wenn die Provinzialen sich der Vorschläge enthalten. Motivieren Sie Ihren Antrag mit kurzen, klaren Strichen u. lassen Sie denselben noch durch ein oder ein anderes Mitglied zeichnen u. die Sache ist abgetan, denn Ihr Antrag hat ja bei uns Gewicht.|2|

Ihre Zusage für d’Ancona,5 das [sic] Sie M.-L. etwa gegeben haben, hat wie das Mit-Unterzeichnen eines Vorschlages nur so viel zu bedeuten, daß Sie damit einverstanden sind daß der Herr N. N. ín die Wahlliste aufgenommen werde, durch Ihren Vorschlag machen Sie es uns auch möglich nicht für d’Ancona stimmen zu müssen.

Von Meinhof6 habe ich vor ein paar Jahren selbst u. zwar brieflich die Mitteilung erhalten, daß er über die Chamiten eine Publikation vorhabe. Wie weit diese gediehen ist, das weiß ich nicht.7 Ich verspreche mir aber von dieser zu erwartenden Schrift nicht viel, wie überhaupt seine vielen Abhandlungen sehr oberflächlich sind. Das Unbegreiflichste das er aber geleistet hat, ist seine Vergleichung des Ewe in Westafrika mit dem Nubur und Kunama,8 für welche Schrift ich ihm nicht gedankt habe, weil ich hätte unangenehm |3| werden müssen. Dem Mann fehlt jede sprachwissenschaftliche Vorbildung u. wissenschaftliche Methode.

Kommen Sie doch hieher nach Wien, ich freue mich sehr auf Ihr Erscheinen.

Mit herzlichem Gruß
IhrL Reinisch


1 Accademia Nazionale dei Lincei, Rom.

2 Koninklijke Akademie van Wetenschappen Amsterdam.

3 Der italienische Philologe Francesco D’Ovidio (1849-1925) wurde, soweit nachprüfbar, nicht in die Wiener Akademie der Wissenschaften aufgenommen.

4 Wilhelm Meyer-Lübke (1861-1931), Schweizer Romanist, der in Jena, Wien und Bonn lehrte.

5 Alessandro D’Ancona (1835-1914), ital. Literaturhistoriker; kein Nachweis einer Wiener Akademie-Mitgliedschaft.

6 Karl Meinhof (1857-1944), deutscher Missionar und Sprachforscher; vgl. HSA 06960-06964.

7 Meinhof, Die Sprache der Hamiten, Hamburg: Friedrichsen, 1912 (Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts: Reihe B, Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen; Bd. 6).

8 Meinhof, Grundzüge einer vergleichenden Grammatik der Bantusprachen, Berlin: Reimer, 1906 .

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09229)