Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (20-09210)

von Leo Reinisch

an Hugo Schuchardt

Sankt Stefan ob Stainz

21. 08. 1908

language Deutsch

Schlagwörter: Hotel Elefant Internationaler Orientalistenkongress Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes Graz Österreich Reinisch, Leo (1909)

Zitiervorschlag: Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (20-09210). Sankt Stefan ob Stainz, 21. 08. 1908. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8837, abgerufen am 16. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8837.


|1|

Reinischhof 21.8.08

Lieber Freund,

Ich habe ja vermutet, daß Sie unwol sein würden, doch Gottlob daß sich Ihr körperliches Befinden wieder gebessert hat. Aber warum gingen Sie nicht auf einige Tage auf den Semering? Ich bin überzeugt, daß die Luftveränderung für Sie sehr heilsam sein würde. In Graz pendeln Sie wahrscheinlich nur von Ihrer Wohnung zum Elefanten u. vom Elefanten zu Ihrer Wohnung – das kann nicht gut tun. Nun lege ich es Ihnen nochmals ans Herz, daß Sie nicht in Ihrer Villa dieses Jahr einziehen – verschieben Sie den Umzug auf den Sommer von 1909. Der Architekt mag Ihnen noch so sehr versichern, daß die neugebaute Wohnung trocken sei - gefährlich ist sie es immerhin. Dann möchte ich empfehlen, lassen Sie heuer allerdings die innere Seite der Wände verputzen, die Außenwände aber erst im Frühjahr, so trocknen die Mauern gründlich aus. |2| Ihr Urteil über mein Buch hat mich riesig gefreut,1 allein das Buch wird doch sehr wenig Erfolg haben. Bedenken Sie nur, daß es fast keine Chamisten2 gibt u. daß ferner die Semitisten durchschnittlich Philologen mit Scheuledern3 versehen sind, denen linguistische Ambitionen gegen ihren Strich gehen. Wer soll also das Buch lesen?

An Prof. D. H. Müller4 habe ich heute geschrieben u. auch Ihren Wunsch ihm mitgeteilt. Er ist nicht nach Kopenhagen gegangen,5 sondern befindet sich in Goisern (Ober-Oesterreich). Er schrieb mir, daß er emsig an seinem Soqoṭri-Wörterbuch arbeite,6 kann also wol seine Artikel für die ZKM7 auf ein folgendes Heft verschieben.

Bekommen Sie von Ihren Berberica mehrere Correcturboegen? In diesem Falle könnten Sie mir wol je einen Bogen zugehen lassen.

|3| Diesen Sommer habe ich auf dem Lande gar nicht gearbeitet. Warum u. wozu u. für wen auch?

Nun wünsche ich Ihnen von Herzen vollständige Erholung u. lassen Sie bald wieder von sich hören.

Ich bitte, von nun an zu adressieren Post Stainz, da der Knecht jeden Tag mit Brettern dahin fährt u. ich so die Post täglich erhalte, wärend der Brodbub von Ligist, der die Post auch besorgt, nur 3-4 mal die Woche heraufkommt.

Mit herzlichen Grüßen u. Wünschen

Ihr
LReinisch


1 Reinisch, Das persönliche Fürwort und die Verbalflexion in den chamito-semitischen Sprachen, Wien: Akademie der Wissenschaften, 1909 (Kommission zur Erforschung von Illiteraten Sprachen Aussereuropäischer Völker: Schriften der Sprachenkommission, Bd. 1). Reinisch hatte Schuchardt die Druckfahnen zukommen lassen.

2 Wohl gem. „Hamitiker, Chamitiker“.

3 „Scheuklappen“.

4 David Heinrich von Müller (1846-1912), österreichischer Orientalist, Semitist, Sprach- und Literaturwissenschaftler; vgl. HSA 07560-07566.

5 Zum 15. Internationalen Kongress der Orientalisten in Kopenhagen, 1908.

6 Müller, Die Mehri- und Soqoṭri-Sprache (mehrere Bände) .

7 Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09210)