Hugo Schuchardt Archiv

LEO REINISCH. Wien, 3. Juli 1908
VIII/2, Feldgasse 3

Lieber Freund,

Ich bedaure wirklich daß Sie sich nicht wol befinden. Sie fragen um Rat. Den müßte zunächst der Arzt geben. Mir scheint daß die Aufregungen beim Hausbau Ihnen den Humor gedrückt haben (?). Am besten täten Sie nach meiner Meinung, wenn Sie auf 8-14 Tage auf den Semmering gingen, dort haben Sie Höhenluft, gute Kost u. Bedienung, das Haus wird auch ohne Sie fertig. Aber in dieses neugebaute Haus werden Sie hoffentlich nicht sofort einziehen. Da stelle ich Ihnen die schönste Gicht in Aussicht u. zwar in den prächtigsten Form[en] von Vertrocknung des Körpers. Ich sage das nicht um Sie etwa zu ärgern, sondern weil ich schon genug warnende Fälle derart kenne. Wenn auch kein Regen auf den Bau gefallen sein sollte, so bleibt u. ist ein neugebautes Haus feucht u. gefärlich. Ziehen Sie nach einem Jahre um u. dann sind Sie wahrscheinlich außer Gefahr. Das sagt Ihnen ein wolmeinender Freund.

Von meinem Buch bekommen Sie noch 1½ Bogen sammt Titel.¹ Was nun Ihre achselzuckenden Bemerkungen betrifft, so sage ich nur: wenn meine vorgefürten Beweisstellen gegenüber den Ihrigen nicht bestehen sollten, so weiß ich keinse Gegenbeweise. Ich wünschte von meinen Lesern nur systematische Lektüre u. Prüfung, nichts anderes. Bestehen dann meine Argumente nicht, nun dann habe ich eben geirrt. Unfelbarkeit hat mir mein Schöpfer nicht verliehen.

Nun herzliche Grüße u. Wünsche von

Ihrem
L Reinisch