Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (07-09197)

von Leo Reinisch

an Hugo Schuchardt

Wien

14. 10. 1907

language Deutsch

Schlagwörter: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien) Anthroposlanguage Baskischlanguage Berberischlanguage Semitische Sprachen Holzhausen, Adolf Schmidt, Wilhelm China

Zitiervorschlag: Leo Reinisch an Hugo Schuchardt (07-09197). Wien, 14. 10. 1907. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8824, abgerufen am 16. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8824.


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Wien, 14.10.07

Lieber Freund,

Mein Manuscript habe ich vorgestern Holzhausen1 übergeben, um mir einen Probedruck zu liefern. Das Buch soll nemlich den 1. Band der „Sprachen-Commission der kais. Ak.“ bilden.2 Diese Commission besteht schon seit Treitl’s Testament3 und mit ihren Geldern wurden Reisen in Asien ( Musil4 in Palästina u. Dr. Laufer in China u. Tibet5), sowie teilweise die Publikationen der südarabischen Expedition bestritten, welche ja auch sprachliche sind. Nun liegen schon Sachen vor, die nicht mehr in die Schriften der südarabischen Expedition passen, wie z. B. meine Arbeit, dann ein Tigray-Wörterbuch von Schreiber;6 ein Werk ferner das die Schilhiksprache behandelt (Grammatik, Texte, Wörterbuch). Nun liege ich mit der Treitl-Commission in einem kleinen Conflict: Diese wünscht wie die bisherigen Publikationen im bekannten großen (Monumental-)format so auch die Schriften der Sprachenkommission in gleichem Format; ich aber bin ein Feind so unbequemer Formate, wo man sich auf den Bauch legen muß, wenn man in einem solchen Buche lesen will u. zum Nachschlagen ist ein solches Format schon gar zu unbequem. Ich will das Format in 8° u. hoffe auch mit meinem Wunsche durchzudringen. Daß Anthropos meine Arbeit schon ankündigt, ersehe ich zum Verdruß aus Ihrem Schreiben. Woher|2| weiß P. Schmitt davon und wozu solche vorweise Ankündigungen!7 Aushängebogen sollen Sie haben, so gelangen Sie wenigstens jede Woche zu einem ausgiebigen Anreger. Sehr sonderbar ist die Äußerung des Bureau’s der Akademie, daß die Akademiker während der Ferien keine Zusendung von Schriften wünschen sollen. Wann hat man denn bessere Zeit, Zusendungen zu lesen, als gerade in der Ferienzeit? Diese Antwort, die man Ihnen erteilt hat, ist wol Ausfluß eines Wunsches des Sekretärs u. ich muß doch hierüber eine Aufklärung verschaffen.

Also Sie bauen! Meinen herzlichsten Wunsch, daß Ihnen wärend des Baues und nach Vollendung desselben kein Ärger erwachsen möge! Kleine Verdrießlichkeiten meinetwegen – sie dienen Ihnen vielleicht zu lebhafterer Blutcirculation u. Verdauung u. so eventuell zur Verjüngerung des Gesamtorganismus – so in ganz kleinen Dosen, nur ja nicht zu viel auf einmal!

Wegen Ihres Augenmuskel-Krampfes haben Sie doch wol einen Okkulisten zu Rate gezogen; vielleicht ist dieser Krampf nur Folge einer lokalen Erkältung, daher ohne Bedeutung, aber jedenfalls müssen Sie einen tüchtigen Fachmann befragen.

Mit den herzlichsten Grüßen u. Wünschen zeichnet

Ihr
L. Reinisch


1 Adolf Holzhausen (1868-1931), österr. Verleger und Buchhändler.

2 Reinisch, Das persönliche Fürwort und die Verbalflexion in den chamito-semitischen Sprachen, Wien: in Komm. bei A. Hölder (Kais. Akad. d. Wiss. Schriften der Sprachenkommission Bd. 1, 1908) .

3 Der Wiener Händler und Gemeinderat Joseph Treitl (1804-1895) setzte 1880 per Testament der Wiener Akademie als seiner Universalerbin ein Legat von 1,2 Mill. Gulden aus, „zu solchen wissenschaftlichen Zwecken, zu deren Erreichung die Fürsorge nicht ohnehin anderen speziellen wissenschaftlichen Institutionen oder der Staatsverwaltung obliegt“.

4 Alois Musil (1868-1944), österreichisch-tschechischer Orientalist, Theologe, Kulturanthropologe und Geograph.

5 Berthold Laufer (1874-1934), deutsch-amerikanischer Anthropologe und Sinologe.

6 Jean B. Culbeaux / Jules Schreiber, Dictionnaire de la langue tigraï, Wien: Hölder, 1915 (Schriften der] Sprachenkommission // Kaiserliche Akademie der Wissenschaft in Wien; Bd. 6).

7 Anthropos 2, 1907, 335: Besprechung von Uhlenbeck, Karakteristiek der Baskische Grammatica, Amsterdam 1906. Sie endet wie folgt: „Sollten nach dieser Richtung hin [gem. ist der Nachweis einer Verwandtschaft des Baskischen mit dem Berberischen (FRH)] weitere Versuche unternommen werden, so müßte jedenfalls nachdrücklich gefordert werden, daß zunächst einmal die sämtlichen hamitischen Sprachen unter sich, und eigentlich auch mit dem Semitischen, vergleichend untersucht würden, um so mehr, da jetzt wahrlich von diesen Sprachen genügend reichliches und zuverlässiges Material vorliegt. Man kann sich darüber freuen, daß derjenige, der am meisten dazu berufen ist, der Begründer der hamitischen Sprachforschung, Prof. Dr. Reinisch, wie ich von ihm selbst weiß, damit beschäftigt ist, diese vergleichende Untersuchung wenigstens für zwei der wichtigsten Redeteile, Pronomen und Verbum, durchzuführen. P. W. Schmidt, S. V. D.“

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09197)