Emil Metzger an Hugo Schuchardt (10-07131)

von Emil Metzger

an Hugo Schuchardt

Stuttgart

14. 06. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien) Magazin für die Literatur des Auslandeslanguage Portugiesischlanguage Lingua francalanguage Englischlanguage Niederländischlanguage Deutschlanguage Französisch Hahn, Johannes Theophilus Engel, Eduard Indien Malakka Sumatra Hahn, Johannes Theophilus (1870)

Zitiervorschlag: Emil Metzger an Hugo Schuchardt (10-07131). Stuttgart, 14. 06. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8799, abgerufen am 25. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8799.


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Stuttgart, Kriegsbergstrasse 29II.
Juni 14te. 1882.

Sehr geehrter Herr!

Zufällige Ueberhäufung mit Arbeit ist die Veranlassung daß ich heute erst Ihren Brief vom 29n v. Mts beantworten kann, was ich in diesem Fall so gerne früher gethan hätte um Ihnen meinen Aufrichtigen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung zum Mitglied der Kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien früher anbieten zu können.1

Die Generale Kerkverordening2 bezieht sich soviel ich weiß auf ganz Indien, ob man das Portugiesische mit Rücksicht auf Malakka (1641/42 erobert) aufgenommen hat weiß ich nicht

Die Mittheilung die ich neulich aus Indien empfangen habe, bezog sich auf Batavia (Stadt) andere Mittheilungen habe ich noch nicht bekommen. Die Stelle in Wallace die Sie berühren heißt: (deutsche Uebers v A.B. Meyer 1869 I 37)3

Die Bevölkerung Malaka’s ist aus verschiedenen Rassen zusammengesetzt. Die überall zu findenden Chinesen sind vielleicht am zahlreichsten vertreten und bewahren ihre Sitten, Manieren und ihre Sprache; die eingeborenen Malayen stehen ihnen an Zahl am nächsten und ihre Sprache |2| ist die Lingua franca des Ortes. Dann folgen die Abkömmlinge der Portugiesen – eine gemischte und heruntergekommene Race welche aber den Gebrauch ihrer Muttersprache bewahren, wenn auch jämmerlich in der Grammatik verstümmelt; schließlich die englischen Herrscher und die Abkommen der Holländer welche alle englisch sprechen. Das in Malakka gesprochene Portugiesisch ist ein werthvolles philologisches Phänomen. Die Zeitwörter haben meist ihre Beugung verloren und eine Form dient für alle Modi, Zeiten, Numeri und Personen. Eu vai bedeutet: Ich gehe, ich ging od ich werde gehen. Eigenschaftswörter ferner haben ihre weibliche[n] und Pluralendungen verloren, so daß die Sprache auf eine merkwürdige Einfachheit zurückgeführt ist und durch die Beimischung einiger malaischer Wörter denjenigen, der nur das reine Lusitanische gehört hat, etwas in Verlegenheit setzt.

von Marsden besitze ich nur Sumatra4 wo ich nichts über die Sprache der Portugiesen habe finden können; Thunberg ist mir leider nicht zugänglich.5

DrTheophilus Hahn kann ich nicht beurtheilen6 – was er da über holländ. Spr. und Litteratur gesprochen hat beweist nur seine absolute Ignoranz auf dem Gebiet und würde vielleicht einen Rückschluß rechtfertigen – se sepiliri juberet7 – würde ihm der Kladderadatsch 8 zufügen. Doch ist man an solche Erscheinungen gewöhnt denn wenn zb. DrEd. Engel9 in seinem „Magazin“ von dem „Raubstaat“ Holland spricht mit Rücksicht auf Nachdruck und nicht autorisirte Uebersetzungen und eine holländ. Zeitung macht ihn darauf aufmerksam daß in Deutschland|3| sogar nichtautorisirte Uebersetzungen aus dem holländischen als Originale verkauft sind und ihm Namen dazu nennt dann schweigt er dies todt indem er sagt: „In Holland schimpft man über unsern kleinen Artikel“ –

Könnten Sie mir vielleicht einige ganz allgemeine Notizen über Diebes und Gaunersprachen geben?10

Ich kenne die deutsche, französische, englische und holländische Gaunersprache sowie die indischen und möchte nur über letztere einen populären Artikel schreiben (natürlich ohne jeden Gedanken an Philologie)11 und dabei nur der Vollständigkeit wegen auch ein Wort über das sagen was über das Vorkommen in anderen (außer den genannten) europ. Sprachen allgemein wissenswerth ist und in einigen Zeilen abgemacht werden kann.

Und ist folgende Eintheilung annehmbar:

1. Einführung ganz neuer Wörter

2. Gebrauch bekannter Wörter in übertragener Bedeutung

3. Veränderung der Wörter nach bestimmten Gesetzen zb. Umsetzung der Sylben, Zufügung von Buchstaben Verdoppelung etc. etc.?

Sie würden hierdurch sehr verpflichten
Ihren
in aufrichtiger Hochachtung ergebenen

E Metzger


1 In diesem Jahr (1882) wurde Schuchardt zunächst korrespondierendes, 1891 wirkliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien.

2 Vgl. HSA 07130.

3 Der malayische Archipel: Die Heimath des Orang-Utan und des Paradiesvogels / von Alfred Russel Wallace / mit 27 Original-Illustrationen im Hozschnitt und 5 Karten / autorisierte deutsche Ausgabe von Adolf Bernhard Meyer, Braunschweig: Georg Westermann, 1869, Bd. 1.

4 William Marsden, A History of Sumatra, containing an account of the government, laws, customs, and manners of the native inhabitants, with a description of the natural production, and a relation of the ancient political state of that island, London: Longman, 1811.

5 Carl Peter Thunberg, Travels in Europe, Africa and Asia made between the years 1770 and 1779, printed for F. and C. Rivington, No. 62, St. Paul's Church-yard; and sold by W. Richardson, Cornhill, 1795 (4 Bde.).

6 Theophilus Hahn, Die Sprache der Nama: nebst einem Anhange enthaltend Sprechproben aus dem Munde des Volkes, Leipzig: Barth, 1870.

7 „Er soll sich doch begraben lassen!“ [richtig: „Se sepelliri iuberet“].

8 Deutsche politisch-satirische Wochenzeitung (1848-1944).

9 Eduard Engel (1851-1938), deutscher Sprach- und Literaturwissenschaftler, von 1879 bis 1884 Herausgeber des Magazins für die Literatur des Auslandes; hier ist Bd. 51, 1, 1882, 283-287 gemeint, sein Beitrag „Ueber den Zustand des literarischen Eigentumsrechtes in Deutschland und die Bestrebungen zu dessen Erweiterung“. Das am 11.6.1870 erlassene „Urheberrechtsgesetz“ hatte den „Begriff des geistigen Eigentums“ ins Zentrum gestellt.

10 Vgl. HSA 07132.

11 Kein Nachweis.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07131)