Emil Metzger an Hugo Schuchardt (09-07130)

von Emil Metzger

an Hugo Schuchardt

Stuttgart

18. 05. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: language Portugiesischlanguage Malaiischlanguage Niederländisch Indien Schuchardt, Hugo (1888) Changuion, Antoine N. E. (1844)

Zitiervorschlag: Emil Metzger an Hugo Schuchardt (09-07130). Stuttgart, 18. 05. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8798, abgerufen am 09. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8798.


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Stuttgart, Kriegsbergstrasse 29II.
Mai 18te 1882.

Sehr geehrter Herr!

Auf einen meiner nach Indien geschriebenen Briefe habe ich vor einigen Tagen Antwort bekommen; sie ist nicht tröstlich; über Portugiesisch schreibt mein Freund:

„Voor zoverre ik weet, spreken de z(oo) g(enoemde) Portugeesene Christenen niets anders dan Maleisch. Van het Portugeesch kennen zij niets meer.

Of er iemand is die genegen zou zijn inlichtingen te verschaffen weet ik niet met zekerheid te zeggen. In elk geval zal ik trachten zoo iemand optezoeken.“1

Dagegen habe ich folgende Notiz gefunden die Sie interessiren dürfte:

In der „Generale Kerkverordening“ (voor Indie) von 1643 ist vorgeschrieben:

„De predikanten en Krankenbezoekers zullen zich benaartigen, dat zij in de taal, welke de heidenen, waarmede onze meeste conversatie is, verstaan, inzonderheid in het Portugueesch, Maleisch en Cumeisch gestileerd worden, om een iegelijke |2| natie naar haar begrip en verstand in de fondamenten van de christelijke religie te onderwijzen en het woord Gods toe te deelen. –2

/ Coolsma „West Java“ 1881 p 158.3 Ubers aus Orgaan Ned. Zendelingsgenootschap I bldz4 53 /

Es dürfte den Herrn übrigens schwer geworden sein, dieser Vorschrift nachzukommen.

Danke sehr für die Mittheilung des Wortes Bakra.5

Die Zuid Afrik. Novellen sind, wenn ich nicht irre in der sogenannten Guldens Editie erschienen6 Was ich in Eigen Haard7 davon habe könnte ich Ihnen gelegentlich copiren lassen; ich dressire jetzt meinen Schreiber „auf Holländisch“

Ihr Wort über Sprachenmißhandlung,8 auch durch Weiße – „sogar durch Europäer und selbst durch Deutsche“ möchte ich hinzufügen – enthielt eine große Wahrheit die wohl verdiente der Welt einmal durch einen Gelehrten sehr deutlich gemacht zu werden.

Es kann dies übrigens auch Anwendung auf sehr bekannte Nachbarsprachen finden; vor einiger Zeit soufflirte ich dem Sohn einer mir befreundeten Familie, einem hoffnungsvollen Primaner der Schiller’sche Poesie und zwar die „Theilung der Erde“ in’s Französische übertragen sollte für „Herbst“ letzte Strophe, 2 e Vers: les vendanges, was ihm einen dicken, rothen |3| Strich eintrug; es sollte eben Automne sein –9

Die Ableitung von loucsicon ist sehr hübsch;10 gelegentlich will ich mal unter alten Papieren schnüffeln ob ich Ihnen ähnliche Proben aus Indien verschaffen kann.

Die älteren Tagebücher sind in dieser Beziehung viel ergiebiger da ich in späteren Jahren viel zu sehr an meine Umgebung gewöhnt war um solchen Erscheinungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken Das Buch von Changuion11 ist mir nicht bekannt; malaische Wörter kommen übrigens auch in dem in Europa gesprochenen Holländisch vor und scheint es mir daß ein solcher Austausch durch die vielfacheren Berührungspunkte der Völker immer häufiger werden wird, denn nicht nur einzelne prägnante Wörter werden gebraucht sondern auch idiomatische Redensarten übersetzt, in den Gebrauch der Präpositionen kommt Unsicherheit. Ich sehe dies nicht nur an mir selbst sondern namentlich an einigen Engländern die ich unterrichte und bei denen ich fortwährend aufpassen muß daß sie nicht englische und deutsche Präpositionen verwechseln ebenso weiß jeder leader,12 der Times namentlich, viele Beispiele von incorrecter Ausdrucksweise was allerdings im |4| andern Ländern germanischer Zunge ebenso stattfindet.

Mit aufrichtiger Hochachtung

Ihr ergebener
E Metzger


1 „Denn soweit ich weiß sprechen die sog. Portugiesischen Christen nur Malaiisch. Vom Portugiesischen haben Sie keine Ahnung mehr.- Ob es jemanden gibt, der gewillt wäre, Informationen zu beschaffen, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. In jedem Fall werde ich versuchen, jemanden zu finden“ (Übers. FRH).

2 „Die Prediger und Krankenbesucher sollen sich bemühen, in der jeweiligen Sprache, welche die Heiden, mit denen wir uns hauptsächlich unterhalten, verstehen, und zwar insbesondere Portugiesisch, Maleiisch und Kumäisch, ausdruckssicher zu werden, um eine jegliche Nation gemäß ihrem Begriffsvermögen und Verstand in den Grundlagen der christlichen Religon zu unterweisen und das Wort Gottes zukommen zu lassen“ (Übers. FRH).

3 Sirk Coolsma, West-Java: het land, de bewoners en de arbeit in der Nederlandsche Zendingsvereenigung, Rotterdam: Dunk, 1881.

4 „bladzijde“.

5 „Bakrah, Bakra“ = „der Weiße“ (Surinam, Java).

6 Catharina Felicia van Rees, Zuid-Afrikaanse novellen, Amsterdam [s. n.], 1880.

7 Der deutschen Gartenlaube vergleichbare Zeitschrift: Amsterdam, Naaml. Vennootsch. „ Het Tidjschrift Eigen Haard“, 1875-1939 [?].

8 Vermutlich „brieflich“.

9 Metzgers Vorschlag verdient Beachtung! (Man denke an das südd. „herbsten“ = Trauben ernten. - Vgl. den Schiller’schen Text: „Was tun?“, spricht Zeus, „die Welt ist weggegeben, Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein. Willst du in meinem Himmel mit mir leben – So oft du kommst, er soll dir offen sein.“

10 Schuchardt, „Kreolische Studien VIII. Ueber das Annamito-französische“, Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Wien (116): 227–234, hier S. 233: „Loucsir ,sehen' ist das französirte look-see; auf den Dampfschiffen hörte Dr. Bos nicht nur loucsi: sondern auch die Ableitung loucsicon ,Arzt' (gleich¬sam ,Beschauer'). Ist luis-luis ,Unzucht treiben' nicht etwa auch pidginenglisch ? Andere Wörter wie boy sind ohne Weiteres aus dem Englischen entnommen“.

11 A. N. E. Changuion, De nederduitsche taal in Zuid-Afrika hersteld, Zijnde eene handleiding tot de kennis dier taal, naar de plaatselÿke behoefte van het land gewijzigd, Rotterdam: Van der Vliet, 1848.

12 Bedeutung unklar. Man würde eher „reader“ oder „lector / editor“ erwarten.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07130)