Emil Metzger an Hugo Schuchardt (05-07126)

von Emil Metzger

an Hugo Schuchardt

Stuttgart

03. 04. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: Geographie Ethnologie, Anthropologie, Volkskundelanguage Romanische Sprachenlanguage Spanischlanguage Niederländischlanguage Portugiesisch (Java)language Lingua francalanguage Malaiischlanguage Deutsch Indien Südafrika Java Wien Zürich

Zitiervorschlag: Emil Metzger an Hugo Schuchardt (05-07126). Stuttgart, 03. 04. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8794, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8794.


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Stuttgart, Kriegsbergstrasse 29II.
April 3te 1882.

Sehr geehrter Herr!

Herzlichen Dank für Ihre freundlichen Zeilen vom 29n v. Mts. Erlauben Sie mir zunächst mitzutheilen daß ada mal. ist und „der (ist)“ heißt ning ada = trada = nicht da ist. Sollte domato nicht mit damita zusammenhängen? Ich finde dies Word bei Dominguez in der Bedeutg: Variedad de tragnita.1coleto Kragen atrapar à alguno el coleto. Sie werden bei diesen Ideen eines Laien wohl an das pex, pix, pax, pux Fuchs denken;2 doch würde es mir nicht auffallen wenn die Eingeborenen das letzte Wort einer jedenfalls oft gehörten Phrase deren unangenehme Wirkung sie wohl gefühlt haben zur Bezeichnung des Ganzen gewählt hätten. Ich weiß nicht ob im allgemeinen die holländischen Forscher die sich mit mal. beschäftigen, wohl genug mit den roman. Sprachen beschäftigen um so schwierige Unterscheidungen zu machen; die Wörterbücher die ich kenne bezeichnen jedes Wort roman. Urspr. mit P. dazu kommt daß die Herrn in ihrer eigenen Meinung auf einer ungeheuren Höhe stehen und überzeugt bei Differenzen das Sachliche nur eine geringe Rolle spielt. Mr3 Grashuis der Herausgeber eines Wörterbuches4 sagt: Auffallend und wie mir scheint traurig ist die Erscheinung, daß beinahe alle die in den letzten Jahren sich mit dem Studium der indischen Sprachen beschäftigt haben einander mit Wuth oder Bitterkeit bestritten5 haben ... und habe ich mir vorgenommen an einen zwecklosen Federstreit weder Zeit noch Mühe zu opfern ... Ich theile daher dem Leser mit, daß ich ... Niemand beantworten6 werde, der mir der vorliegenden Arbeit wegen beschwerlich wird. Auf der Beilage7 fin- |2| den Sie den Gedankenaustausch über furo. van M. ist ebenso wie ich pensionierter Beamter, Amateur. Veth Professor für Ind. Land Taal u Volkenkunde.8

Mich interessirt die Frage ob sich nur einspanisches Wort nachweisen läßt nur aus einem psychologischen Standpunkt. Merkwürdig ist daß die Eingeborenen überall diesen Worten spanischen Ursprung zuschreiben, während sie mit den Portugiesen doch viel länger in Berührung gekommen sind.

Die in meinem letzten Brief mitgetheilten Sprachproben sind alle Kreolen (dies Wort [ist] ungebr. in Indien, der offizielle Ausdr ist Dusgenoemde Inlandsche Kinderen,9 nur vulg: liplap auch sinjo, nene für beide Geschl.) in den Mund gelegt.

met je broêr ist richtiges Holländ. met uwen broeder das richtige geschriebene mo und broêr würden sich kaum mit einander vertragen, je u broeder zusammengestellt lächerlich sein (das eine förmlich das andere vulg) Die Fürwörterfrage im Holländ in der Conversation ist ungemein schwierig und weicht sehr von der Schriftspr ab. Die gewöhnl. höfliche Anrede ist U,10 doch gibt es Fälle wo dies beinahe lächerlich – oder auch störend sein würde und durch ge11 und wohl auch je ersetzt wird. Letzteres steht wohl schon an der Grenze des unter guten Bekannten erlaubten, ersteres aber wechselt mit U ebenso wie vous u tu zwischen guten Bekannten, ist aber auch wie tu (Italien) ein Zeichen der Vertraulichkeit (nicht etwa der Herablassung) zb. in Indien gegenüber Höherstehenden sage ich immer U, wenn ich dieselben jedoch näher kennen und sie mich vertraulich behandeln sagen sie ge – ein U würde dann sogar etwas abweisend sein. Auch werden ge u je = man gebraucht (unbestimmte 2e pers) wohl dem U in ders. Weise vorgezogen

jij u jou (posses,) gelten für unpassend. „ Praat niet met jej en jou“ = Ne parlez pas par B et F. Doch wie gesagt, die Grenzen sind schwer zu ziehen.

Nun haben die Kreolen um dieses Wort beizubehalten, im Allgemeinen die Gewohnheit sehr höflich zu sprechen, wenn sie aber böse werden kommt ein jej od. jou dazwischen wozu dann in unserem Falle noch die Verwechslung beider kommt – hier könnte es nur met je (ge, u) sein.

|3| Übrigens ist die Vertauschung der person. und posses. Pron. auch in Holland häufig. amfioen ist der gewöhnl holländ. ind. Ausdruck für Opium

Ihre Bemerkungen über die Fehler sind vollkommen richtig. Ich füge noch hinzu:

1. falsches Geschlecht: de paard.12

2. kunnen u kennen, können u kennen verwechselt.

Die holl. Aussprache des g ist dem Indier fremd und schwer dagegen gibt der Holländer dem h und hh des Mal ﺡ und ﺥ13 keine genügende Aspiration. Hieraus entsteht eine fortdauernde Confusion ähnlich wie die falsche Aussprache des h bei manchen Engländern und den meisten Franzosen. Beiläufig gesagt nimmt man gewöhnlich an, daß es nur bei Ungebildeten vorkommt ( the cloven hoof14 wird es wohl genannt) Doch habe ich Fälle gesehen wo dies bestimmt nicht der Fall war. Auch in Holland gibt es eine Provinz (Groningen) h vielfach weggelassen wird wo es gesprochen werden sollte u umgekehrt Eine Erklärung versuchte Storm Engl Philolog Seite 52 u 53.15bent vertraulich für zijt;16 sogar (seltener) wij bennen st zijn17 ersteres colloquial sehr gebr.

Am18life worth the hour for19 war mir neu; Im Vulgärengl. kommen andere Personenvertauschungen häufig vor: You was, the women does not... I says. Then I say says I. “So we wool, bor” she say says she. Und die englischen Grammat sind über Concord des Verb in einzelnen Fällen nicht eins20

so sagt Bain (Latham21 folgend) Engl. gram. 1876, p 177.22

when the pronouns are not preceded by „either“ or „neither“ I or heam in the wrong, heorIis in the wrong.

Dagegen sagt Hyde Clarke Grammar of the Engl Tongue 23 1879 p 128. The verb agrees with the Subject with is nearest to it: I or thow art the owner. –

hij geeft niet müßte sein hij geeft het niet (erlaubt nicht, gibt es nicht zu) ruik stink statt stinkt.24 Das Mal. kennt nur riechen (baino) mit einem Beiwort, das holländische duldet es in diesem Falle (stinken) nicht goevernement // Kale jakhals – „is een“ aus gelassen

|4| kaal = kahl, armselig – jakhals25 hier etwa: Lump, Hungerleider.

Gelegentlich werde ich Ihnen neue Proben schicken. Ubrigens habe ich auch (in Novellen) Sprachproben aus Südafrika. Wenn der deutsche Consul Ihnen „von dem auf Java eingeführten Portugiesisch“ geschrieben und von lingua franca gesprochen hat, sollte es mich nicht wundern wenn er diese Worte einem deutschen Conversationslexicon entlehnt hätte. Portug. Worte kommen im laag mal. nur vereinzelt vor, jedenf. ist Portugies als Sprache auf Java nie eingeführt gewesen Unterschiede zwischen den verschiedenen Inseln, ja auf ein und derselben Insel bestehen gewiß zb würde ich statt Bintang koelon st. Bintang barat26 sagen. So sage ich im Sprechen immer kowe (javan) st loc (Bat. mal): Du, weil ich zunächst im eigentl Java die Sprache erlernt habe und loc da eine Beleidigung wäre die der ärmste Mann empfindlich fühlen würde). – Solche Unterschiede finden sich aber auch im deutschen, mehr als man bei oberflächlicher Betrachtung meinen sollte zb. „Schmarrn“ ( Wien) 3 Eier in die Suppe „geben“ (Oestr Süddeutsch) thun (Nordd) bei Breitinger ( Zürich)27 in der Uebersetz zum Schulgebrauch finde ich haut comme ça übersetzt: eine Beige ein Wort welches mir ganz fremd ist; ich glaube es soll „Stoß“ (pile) heißen?

Was ich Ihnen aus Hollander28 darüber mittheilte scheint mir das wenigstens praktisch richtige – was nicht mal. ist, ist eben keins.

Übrigens hoffe ich Ihnen bald werthvolle Notizen aus dem Ind. Archipel (d h noch nicht als Antwort auf meine Briefe sondern Auszüge aus einem im nächsten Monat erscheinenden Aufsatz) schicken zu können.

Auf der Beilage steht noch eine Notiz.

Entschuldigen Sie die vielen Abschweifungen aber es kam nun einmal so.

Hochachtungsvoll Ihr sehr ergebener

E. Metzger

[Am linken Rand:] / kann es Ihnen mögl sein, schicken Sie diesen Bintang Barat dann will ich Ihnen ein Stück ins Deutsche und zurück in mein mal übersetzen.


1 „Basalt“.

2 Alter Schüler-Ulk zur Ableitung von dt. Fuchs aus dem Griechischen: „alopex -> lopex -> opex -> pex -> pix -> pax -> pux -> fuchs“.

3 Am unteren Rand: „Mr = Dr. juris.

4 G. J. Grashuis, De Soendanesche Tolk. Hollandsch-Soendanesche-Woordenlÿst, Leiden: Sijthoff, 1874.

5 „faux ami“: gem. ist „bekämpfen“.

6 „faux ami“: gem. ist „antworten“.

7 Nicht erhalten.

8 Pieter Johannes Veth (1814-1895), Professor für Geographie und Ethnologie und der erste Vorsitzende der Royal Netherlands Geographical Society.

9 „Sogenannte Einheimische Kinder“.

10 „Sie“.

11 „Du“.

12 Richtig: „dat paard“.

13 Ḥā' und Chā'

14 Engl. = „der gespaltene Huf“.

15 Johan Storm, Englische Philologie. Anleitung zum wiss. Studium der engl. Sprache, Heilbronn: Henninger, 1881 u. ö.

16 „Du bist“ statt Anrede 2. Pers. Pl. (im Niederländischen).

17 Die korrekten Formen lauten 1. Pers. Pl. Präs. wij zijn, 2. Pers. Pl. u bent.

18 Abk. für „Amerikanisch“?

19 Vermutlist ist gemeint: What is an hour of your life worth?

20 Woher Metzger dieses Kauderwelsch hat, das sich z. T. nicht deuten läßt, ist unklar.

21 Robert Gordon Latham, An elementary English grammar, for the use of schools, London: Walton, 1860 u. ö.

22 Alexander Bain, A higher English grammar, London: Longmans-Green, 1877 u. ö.

23 Clarke, A Grammar of the English toungue, erstmals 1853.

24 „Rauch stinkt“.

25 Eigtl. „Schakal“.

26 Bintang Barat (dt. Morgenstern) von J. Kieffer herausgegebene weltanschaulich neutrale Wochenzeitung in Batavia mit hohem Informationswert; vgl. Ahmat B. Adam, The Vernacular Press and the Emergence of Modern Indonesian Concsciousness (1855-1913), Ithaka: Cornell Univ., 1995 (Studies on Southeast Asia), 32ff.

27 Johann Jakob Breitinger (1701-1776), Zürcher Philologe und Autor.

28 Johannes Jacobus de Hollander (1817-1886), Verf. u. a. von Handleiding bij de beoefening der land- en volkenkunde van Nederlandsch Oost-Indie voor de kadetten van alle wapenen bestemd voor de dienst in die gewesten, Breda: Nys, 1861-1864.

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