Emil Metzger an Hugo Schuchardt (03-07124)
von Emil Metzger
an Hugo Schuchardt
24. 01. 1882
Deutsch
Schlagwörter: Athenaeum Lexikographie Malaiisch Arabisch Französisch Lingua franca Sundanesisch Javanisch Niederländisch Englisch Germanische Sprachen Deutsch Latein Spanisch Portugiesisch Romanische Sprachen Cust, Robert Needham Müller, Friedrich Indien Singapur Java Timor Hollander, Joannes Jacobus de (1882) Müller, Friedrich (1882)
Zitiervorschlag: Emil Metzger an Hugo Schuchardt (03-07124). Stuttgart, 24. 01. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8792, abgerufen am 09. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8792.
Stuttgart Kriegsbergstr 29. II
Januar 24te 1882.
Sehr geehrter Herr!
Ihre freundlichen Zeilen gaben mir in erster Linie Veranlassung Ihre Bemerkung über die malaische Sprache, – soweit ich als Laie dazu im Stande bin – unter Gebrauch der mir hier gebotenen Hülfsmittel einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen. Meine frühere Mittheilung gab ich Ihnen ganz vom Standpunkt des praktischen Lebens und machte den Unterschied zwischen hoch- und niedrig-Malaisch ( laag, Batavia’sch), wie er sowohl meiner Frau als mir und überhaupt in Indien geläufig ist.
Ihre Notiz über „Pierer und Athenaeum“1 hat mich veranlaßt zunächst: „Hollander, handleiding tot „de beoefening“ der maleische taal en letterkunde“2 / nicht wie ich in meinem letzten Brief sagte: hochmal Sprache / und der sagt, nachdem er die verschieden[en] Urtheile, die über diesen Punkt ausgesprochen wurden mittheilt und kritisch untersucht (4e Aufl 1874 Seite 305) „Nach unserem Urtheil haben die Malaien nur eine Sprache und zwar die bahasa dalam ud bangsawan Marsden’s,3 od. Malaye littéraire von Dulaurier,4Hoog Maleisin von Werndley.5
Von diesem reinen Malaisch unterscheidet sich die Sprache der Höfe durchaus nicht, nur werden häufig arabische Worte angewendet ebenso wie man in unsern hö- |2| heren Kreisen (Holland) sich viel Mühe gibt, französische Worte einzumengen.
Obwohl wir nur eine Sprache kennen wollen wir den Ausdruck laag maleisch zulassen (vrede daarmede hebben) wenn man darunter versteht die Bahasa Katjoekan (brabbeltaal Valentins)6 also eine gebrochene Sprache deren sich Fremde bedienen um sich zu helfen.“
Letzteres ist die Sprache die zu Batavia gewöhnlich gesprochen wird und dies ist die lingua francaCust’s7; es ist die selbe Sprache von der ich Ihnen früher mittheilte, daß sie, selbst über die Grenzen unserer Archipels hinaus allgemeines Mittel der Verständigung ist.
Natürlich kommen dialectische Verschiedenheiten vor (worüber ich gleich noch etwas sagen will) aber man versteht sich trotz derselben; so habe ich jetzt, durch Ihren Brief veranlaßt, meine malaischen Bücher nachgesehen und finde dabei Proben von Malaisch wie es auf Ambon gesprochen wird, die ich mit Ausnahme einzelner Worte fließend verstehe, ebenso wie ich den Chinesen den ich hier traf (er war aus Singapore) fließend verstand und er mich auch, (wiewohl ich darum durch aus nicht beschwören will, daß keiner von uns Worte gebraucht hat die dem andern fremd waren und daß dies nicht vielleicht sich fühlbar gemacht haben würde, wenn unser Gespräch über die gewöhnlichen Worte hinaus gegangen wäre).
Selbst auf Java findet man starke Unterschiede, und ich will bei den ersten fünf Worten hören ob Jemand sein Malaisch zu Batavia oder zu Samarang8 gelernt |3| hat; der erste wird, einem Untergebenen gegenüber, als Pronomen der 1e Pers. immer Goewa, der 2e Pers. loe anwenden; letzterer in 1 e P: ackoe in 2e P. kowe (beide letztere aus dem Javanischen genommen) sagen; loe würde selbst einem Kuli gegenüber als eine schwere Beleidigung aufgenommen werden (wiewohl es durch Europäer die es nicht anders gelernt haben, wohl gebraucht wird, worauf hin der Eingeborene ein Koeran-adjar fehlt Erziehung in die Stelle murmelt, wo er seinen Bart haben könnte
Wenn man aber alle diese Differenzen als Dialecte nehmen wollte würde ihre Zahl legio sein.
Manang Kabauisch und Malakka’sch Malaisch sind nach Hollander nur in der Aussprache (O statt A) verschieden – Jedenfalls ist es aber „ laag malaisch“ was in und um Batavia gesprochen wird und durchaus keine besondere Sprache wie der Kritiker im Athenaeum9 meint. Ich habe den ganzen Artikel aufmerksam gelesen und muß mich dabei des Sprichworts erinnern: People who live in glass houses should not throw10 stones.
Er hat verschiedene Schnitzer begangen von denen der stärkste allerdings der ist (den Sie in Ihrem Briefe unterstrichen haben) den ich eben erwähnt habe.
Zu Batavia wird gewöhnlich Nichts anderes gesprochen ich bin da sicher von – als die lingua franca – laag maleisch – und um das Wort zu präcisiren – mit lokaaler Färbung. Natürlich gibt es Leute welche Malaisch (hoch um den Ausdruck beizubehalten) sprechen, ebenso wie auch noch andere Sprachen gesprochen werden |4| In der Umgegend von Batavia aber wird theilweise dasselbe conventionelle ( laag) malaisch – meinetwegen mit etwas andere[r] lokaler Färbung gesprochen, und ich erwähnte dies in meinem ersten Brief weil hier die conventionelle Sprache Volkssprache geworden ist wie auch zu Batavia, was einige Meilen weiter schon nicht mehr der Fall ist wo der Eingeborene sie als Mittel zur Verständigung ebenso wie der Europäer (natürlich im Verkehr) lernen muß –
Es muß für einen europäischen Forscher ungemein schwierig sein einen solchen Chaos zu entwirren, namentlich weil es so schwer scheint, gutes Material zu bekommen. So habe ich zb bei dem Nachsehen der Sprachproben bei Prof Dr Fr Müller Sprachwissenschaft II 153 gefunden.11
Das erste ist ein Vaterunser, die Uebersetzung eines Europäers – ich meines theils würde nie als Sprachprobe eine Uebersetzung selbst wenn sie durch einen Eingeborenen verfertigt wären zulassen, am allerwenigsten einen biblischen Stoff in welchem ein Dialog vorkommt – soweit mir solche bekannt sind machen sie einen Eindruck als ob ich (im ernsten Styl) schreiben wollte: und dann gab er seiner Frau Gemahlin ein Paar Maulschellen (noch lieber: Knallschoten) und mißhandelte sie in variirter Weise –
Die Sprache ist m. Ans. nach laag malaisch mit hohen Worten gemengt, ebenso das zweite, die anderen weniger und das Pantun12 ist reines Batavia-Malaisch.
|5| Menang Kabau’sch M. sieht ganz anders aus die ich namentl. wenn es mit holländ. Buchstaben geschrieben ist, stark studiren muß während ich die Sprachproben bei M-r13 ziemlich fließend gelesen habe. Die Einleitung zu Roorda v. E.14 geht in Uebersetzung hierbei, ich wollte Ihnen erst das Buch schicken, entdeckte aber, daß es auch Gespräche in sundanesischer und javanischer Sprache hat, ohne auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, was Ihnen vielleicht Schwierigkeiten bereitet haben würde.15
Proben des verdorbenen Holländisch werde ich für Sie notiren. (in der gewünschten Weise).
Der Chinese lernt malaisch aber kein englisch dies erinnert mich daß Personen romanischer Zunge diese Sprache viel leichter erlernen als die welche eine germanische (viel englisch, scandin.) sprechen. –
Ein großer Feind der Forschung ist auch das Schreiben mit europ Character.16 Da schreibt ein Jeder wie er Lust hat und wenn man die Sprache mit dem Ohr gelernt hat erkennt das Auge sie schließlich nur mit Mühe – Eine Probe von Mal. nach chinesischer Aussprache geht – mit Quellenangabe – hierbei.17
Herrn L. N18 können Sie ruhig deutsch, (aber der Sicherheit wegen mit lateinischen Buchstaben) schreiben Ich habe meine Briefe expedirt. – Vergessen Sie nicht wegen Timor zu fragen; allerdings habe ich noch eine Notiz gefunden daß in dem portugies Theil auch malaisch gesprochen wird mi no savi ist mir aus dem malayischenArchipel|6|nicht bekannt.
Auf Reisebeschreibungen werde ich soviel wie möglich in der, durch Sie gewünschten Richtung, fahnden; große Ausbeute kann ich jedoch nicht davon versprechen, denn ich lasse mich nur sehr gelegentlich verführen eine solche in die Hand zu nehmen
Wenn ich nur den Unsinn bedenke der mir über unsere Besitzungen soweit ich sie genau kenne also mir ein selbstständiges Urtheil bilden kann, in die Hände gekommen ist, verliere ich allen Muth etwas über andere Länder, die ich nicht kenne zu lesen. –
Die Notizen aus Cust19 gehen hierbei
So nehme ich für heute Abschied, indem ich Ihnen für Ihr freundliches Anerbieten Ihrer Hülfe herzlich danke und mir vorbehalte gelegentlich davon Gebrauch zu machen, während ich Sie wiederholt bitte über mich verfügen zu wollen, wo ich Ihnen behülflich sein kann.
Hochachtungsvoll
Ihr sehr ergebener
E Metzger
Die Transcription ist nach holländischer Orthographie. also
oe = u ou = au
iu = oi (eu)
Pferd koeda
Reitpferd koeda toeng gang
Postpferd koeda pos (wem fall post)
Schimmel koeda dauq (dawost)
Rappe koeda djautan
Stute koeda (betnia) param ponom
Füllen anak (Kind) koeda
Huf koekoe (auch Nagel bei Menschen und Thier)
Beschlag besi kaki, besi koeda
Fuß Eisen Pferde eisen [Glossierung kreuzweise verbunden]
Mähne ramboet, gamboet
Stall stal (holl), istal
der Rotz ingues
Raufe iri
Sat[t]el sella, pelana
Steigbügel sanggoerdi, soengourdi
Cingel tali proet
Schwing Riem tali eikoer
Gebiß term (holl), kekang
Peitsche tjamboek
Wagen karetta, kues (Kutsche) holl: koets
Bock bok (holl)
|8|Verdeck kap (holl)
Rad roda (mit Speichen) djantra Scheibenrad (aus einem Brett)
Riem koelit
Stift penna
Feder per
Pferdegeschirr pakejan koeda
II
Vor einiger Zeit theilte man in der Zeitschrift der Niederl geogr. Gesellschaft in Betreff des Namen Alfoeren (Alfuren) Folgendes mit: derselbe solle abgeleitet sein von einem spanischen Worte furo das der Schreiber in keinem Wo[e]rterbuche habe finden können weshalb er meinte es vom portugiesforro ableiten zu müssen.
Da diese „scharfsinnige“ Erklärung nochmals wiederholt wurde machte ich darauf aufmerksam daß furo wirklich ein spanisches Wort ist und selbst bei Booch-Arkossy aber auch bei Dominguez, lengua española vorkommt.
Ich möchte nur bemerken daß viele der im Malayischen vorkommenden romanischen Wörtern überhaupt spanisch sein können.
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1) zur folgenden Seite
barang Geräth, barang barang alle seine Sachen, hier also Nachlaß
|9|III
Probe von Bataviasch Malayisch.
Bahwa ini rapo saija Demang Serang
(Titel) (Ort)
Füllwort etwa: möge, daß dieser Rapport ich Demang Serang
möge dieser mein Rapport, (naiul) des Demang von Serang
Sampej Kanadapan toewen Secretaris njang
genug bis zum Herrn Secretair welcher
gelangen bis zum Hrn Secret welcher
daedoeg di Serang adanja
sitzt zu Serang welches ist.
zu Serang wohnt.
Dies die Ueberschrift, nun der Brief.
Kamoedgau deri pada itoe sija kassi fanoe
Formel ich gebe wissen
Weiteres als auf dieses,
Des Weiteren theile ich mit
ini malam ada satoe orang Jahina mati
diese Nacht da ein Mensch Chinese todt
bernama Asing, Kampong serang, Mandoer
geheißen Asing, Dorf Serang, Mandur (Titel)
Tongkoe poenja teman, Distrik Serang
Tongku (Name) eigener Genosse Distrikt Serang
Tetapi saya soeda Priksa ini metam djoega
Aber ich habe nachsehen diese nahct auch
dija poenja barang-barang, tijada sakali
seine eigene Nachlaß (1 barang Geräth, barang barang alle seine Sachen, hier also Nachlaß) überhaupt der
dija poenja barang-barang djoenia adanja
seine eigene Nachlaß überhaupt der
|10| der gewöhnliche höfliche Schluß ist
Lain tida melniken saija poenja
Weiter nicht ist außer ich eigene
tabeh dengen hormat kapada toewan
Gruß sowie Ehrfucht an (den) Herrn
(folgt Titel)
an einen Eingeborenen schreibt man anstatt: kapada toewan: wenn man vertraulich mit ihm ist:
kapada sanobat (baik) Name
an Freund (guter)
njang ada di
welcher ist zu Name des Ortes
di hormat zur Ehre: wird durch den Europäer gegenüber dem Eingeborenen nur in Ausnahmefällen geschrieben wohl aber umgekehrt in der Adresse oder am Ende: kapada toewan Name, Titel njang ada
di hormat die Betawie welcher ist zu Ehre zu Batavia
Die Orthographie mit holländischen Buchstaben ist sehr willkührlich (nach dem Gehör) des Schreiben mit arabischem Character ist unter Eingeborenen und Europäern durchaus nicht allgemein (auf Java)
|11|Tydschrift van Nederl Indie 1869, Seite 415
a In der Nimahassa (Nord Celebes)
barba. Bart. sombar Schatten
kadera Stuhl serampa die Masern
horas Stunde suwar Schwitzen
arkus Ehrenbogen palo-palo Stock, Stab
fresco frisch sano Schlaf.
kasuari Kasuarisbaum toko klopfen
gargantang Kehle taripa Gedärme
Kura bleichen (Zeug) testa Stirn
kentar singen maradja bösartig = marraxo
migada Niemand
In der Minahassa und Ternate.
domato eine Sorte Trachpt furo wild von Thieren
fastiu einer Sache überdrüssig ponòso durch die Nase (sprechen)
kano-kano Rohr seloba salzig (Wasser)
koleto mit den Nägeln kneifen
1 Gem. ist Heinrich August Pierers Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit, 1794-1850 ; The Athenaeum. journal of literature, science, the fine arts, music and the drama.
2 J. J. de Hollander, Handleiding bij de beoefening der Javaansche Taal en Letterkunde, voor de Kadetten van alle wapenen, bestomd voor de dienst in Nederlands Indië, Breda: Militaire Akademie, 1848 u. ö.
3 William Marsden, A Dictionary and Grammar of the Malayan Language, Cambridge: University Press, 1812.
4 Vermutlich ist gemeint Édouard Delaurier, Des langues et de la littérature de l'Archipel d'Asie sous le rapport politique et commercial, [Paris: H. Fournier, 1841].
5 George Henrik Werndly, Maleische Spraakkunst uit de eige schriften der Maleiers opgemaakt met eene voorreden, behelzende eene inleiding tot dit werk, en een dubbeld aanhangsel van twee boekzalen van boeken, in deze taal zo van Europeërs, als van Maleiers geschreven., Amsterdam: Bewindhebberen, 1736.
6 Gem. ist Johan Valentin Meidinger, Fransche Spraakkonst, Amsterdam: J. Ruth, 31811 (MDCCCXJ.), 498: „Jargon is eigenlyk eene brabbeltaal“.
7 Robert Needham Cust (1821-1909), britischer Orientalist; hier ist gem. sein Werk Languages of Africa, London: s.n., 1881 .
8 Meist „Semarang“, Hafenstadt an der Nordküste Javas.
9 Athenaeum, 1828 gegründete einflussreiche englische Zeitschrift.
10 Im Text: „threw“.
11 Friedrich Müller, Die Sprachen der schlichthaarigen Rassen, Wien: Hölder, 1879 (Grundriß der Sprachwissenschaft, Bd. 2). Hier findet sich – immer das Vaterunser – auf II, 152 (7. Javanisch), 153 (8. Malayisch), 153-154.
12 Ibid. S. 158 (abgedruckt sind zwei vierzeilige Pantuns über jungen Reis bzw. einen weißen Vogel).
14 Philippus Pieter Roorda van Eysinga (1825-1887), in Batavia (Djakarta) geborener niederländischer Lexikograph.
15 Maleisch en Nederduitsch woordenboek: onder goedkeuring en begunstiging der Hooge Regering van Nederlandsch-Indie, vervaardigden uitgegeven door P. P. Roorda van Eysinga, Batavia: Lands Drukkery, 1825.
16 i. S. v. „Schriftzeichen“.
17 Nicht erhalten.
18 Henry David Levysohn-Norman (1836-1892), Raad van Indie (keine Korrespondenz Schuchardts mit ihm ist erhalten).
19 Robert Needham Cust (1821-1909), britischer Orientalist; hier ist gem. sein Werk A sketch of the modern languages of Africa, London: Trübner, 1883 . (Das Erscheinungsjahr legt nahe, dass Metzger dieses Werk noch nicht kannte, sondern sich auf vergleichende Äußerungen Custas an anderem Orte bezieht).