Otto Jespersen an Hugo Schuchardt (03-05108)

von Otto Jespersen

an Hugo Schuchardt

Kopenhagen

19. 08. 1886

language Deutsch

Schlagwörter: Dankschreiben Junggrammatiker Wissenschaftliche Diskussionen und Kontroversen Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze Syntax Sprachprobe Spracherwerb Übersetzung Zeitschriftenlanguage Dänisch Jespersen, Otto (1885–1887)

Zitiervorschlag: Otto Jespersen an Hugo Schuchardt (03-05108). Kopenhagen, 19. 08. 1886. Hrsg. von Bernhard Hurch und Francesco Costantini (2007). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.87, abgerufen am 10. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.87.


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Kopenhagen, 19 aug. 86
Ole Suhrsgade 18

Hochgeehrter hrr. professor!

Empfangen Sie meinen besten dank für den freundlichen brief, den ich hier bei meiner rückkehr von der Stockholmer philologenversammelung vorfand und mit welchem Sie mir eine sehr grosse freude gemacht haben. Ich muss Ihnen wohl darin recht geben, dass es nicht ganz consequent ist, nach alledem was ich gegen die auffassungen der junggrammatiker anführe, dennoch nicht zu ihren „gegnern“ gehören zu wollen. Die sache ist aber die, dass wir hier im Norden überhaupt keine veranlassung haben uns an dem oft ja ziemlich persönlichen parteistreit zwischen den junggrammatikern und ihren gegnern zu beteiligen. Nun bin ich selber bis vor einem jahre oder noch später junggrammatiker gewesen und habe an die ausnahmslosigkeit der lautgesetze geglaubt: diese alte liebe war es, die |2|mir den fraglichen schlusspassus inspirirte.

Was die einzelheiten betrifft, die Sie berühren, erlaube ich mir folgendes zu bemerken: S. 214 „jeg ved ikke hvad det for et dyr er” verstösst darin gegen dänischen sprachgebrauch, dass in allen derartigen sätzen das verbum nicht wie im deutschen am schlusse des satzes, sondern unmittelbar nach dem subject gestellt werden muss: wir sagen immer „jeg ved ikke hvad det er for et dyr“; an einen germanismus ist gar nicht zu denken. — S. 215 „de to ...../ modstridende principper“ referirt sich an S. 210 (beginn. von II). — S. 217 letzte zeile „på dette område“ ist eine stilistisch nicht glückliche wendung wegen des hervorgehenden „på det syntakt. område“; gemeint ist: auf dem ganzen s. 216 u. 217 behandelten gebiete. —

Sie fragen nach scandinavischen schriften über die kindersprache: ich muss leider gestehen, dass ich keine solche kenne, und ich glaube auch nicht, dass es irgend welche existire, wenigstens hier in Dänemark; ich habe in zeitschriften gelegentlich gestreute bemerkungen gefunden, aber |3|nur recht wenige. Sollte ich aber später etwas entdecken, werde ich es Ihnen mit dem grössten vergnügen mitteilen.

Da mein artikel über die lautgesetze1 Sie zu interessiren scheint, darf ich mir vielleicht die freiheit nehmen eine frage an Sie zu richten. Einige von meinen schwedischen freunden schlugen mir vor die abhandlung auch deutsch auszugeben. Sie würden mich jetzt zum grössten dank verpflichten, wenn Sie mir in aller aufrichtigkeit sagen wollten, ob meine arbeit wirklich einer übersetzung würdig ist? Und dann, wird sich ein verleger finden können, oder wird vielleicht eine zeitschrift die sache aufnehmen wollen?

Entschuldigen Sie, hochgeehrter herr professor, diese fragen, und empfangen Sie die versicherung meiner ausgezeichneten hochachtung.
Otto Jespersen


1 O.J., "Til spörgsmålet om lydlove", in: Nordisk Tidskrift for Filologi n.s. 7 (1885-1887): 207-245.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05108)