Jakob Jud an Hugo Schuchardt (51-05189) Jakob Jud Frank-Rutger Hausmann Institut für Sprachwissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY-NC 4.0 2022 Graz o:hsa.letter.8531 51-05189 Hugo Schuchardt Archiv Herausgeber Bernhard Hurch Karl-Franzens-Universität Graz Österreich Steiermark Graz Karl-Franzens-Universität Graz Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen 05189 Jakob Jud Papier Brief 6 Seiten Bern 1918-07-29 Hugo Schuchardts wissenschaftlicher Nachlass (Bibliothek, Werkmanuskripte und wissenschaftliche Korrespondenz) kam nach seinem Tod 1927 laut Verfügung in seinem Testament als Geschenk an die UB Graz. Frank-Rutger Hausmann 2019 Die Korrespondenz zwischen Jakob Jud und Hugo Schuchardt Hugo Schuchardt Archiv Bernhard Hurch

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Hugo Schuchardt Archiv

Das Hugo Schuchardt Archiv widmet sich der Aufarbeitung des Gesamtwerks und des Nachlasses von Hugo Schuchardt (1842-1927). Die Onlinepräsentation stellt alle Schriften sowie eine umfangreiche Sekundärbibliografie zur Verfügung. Die Bearbeitung des Nachlasses legt besonderes Augenmerk auf die Erschließung der Korrespondenz, die zu großen Teilen bereits ediert vorliegt, und der Werkmanuskripte.

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Jakob Jud Bern 1918-07-29 Hugo Schuchardt Switzerland Bern Bern 7.44744,46.94809 Korrespondenz Jakob Jud - Hugo Schuchardt Korrespondenz Wissenschaft Sprachwissenschaft Brief Deutsch
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Guggisberg, 29.VII.18. Verehrter Meister!

In den schweren Zeiten, die uns seelisch erschüttern wie zerreissen, wird das Briefschreiben bald eine Erholung, bald eine Qual: eine Erholung, wenn man es über sich bringt, anderen sein Herz auszuschütten; eine Qual, wenn man der Überzeugung ist, dass andere ebensoviel, wenn nicht mehr leiden und doch tapfer ihr Schicksal zu tragen wissen. Ich bin im letzten Jahr immer stiller geworden, weil in mir der Wille, selbst alle die inneren Conflikte in mir auszufechten, den Sieg davongetragen hatte über den Wunsch, andere zu Mitwissern der unausgetragenen seelischen Kämpfe zu machen. Meine Freunde beklagen sich bitter über meine Reserve, bezichtigen mich der Nachlässigkeit, der Undankbarkeit; sie haben vollauf Recht, und doch wer wollte mir einen Stein nachwerfen? Ich kann nur eines tun: ich muss meine Freunde um Verzeihung für mein Nichtkönnen bitten.

Zunächst meinen wärmsten Dank für den Brief, der über Ihre Beziehungen mit G. Paris so eingehend berichtet hat:Vgl. hier Brief 10 (18.4 / 1.5.1918). nur eine Stelle hatte mich etwelchermassen verblüfft: „Mit G. Paris habe ich, trotz Krieg, Politik, Dreyfus, trouver u.a. - -“, wobei mir das „trotz Dreyfus“ unverständlich geblieben ist, weil G. P. doch eifrigster Anhänger der Revision des Prozesses war, worunter ich doch auch wohl Sie rechnen darf. Bestand da zwischen Ihnen und G. P. wirklich ein Gegensatz? Ist übrigens G. Paris wirklich Jude gewesen?Schuchardt antwortet darauf im nächsten Brief 12 (22.9.1918) auf diesen Punkt.

Ich habe neulich die paar Seiten, die Sie G. Paris in einem Ihrer trouver Artikel unmittelbar nach dessen Tod gewidmet hatten, Schuchardt, „ trouver “, ZrP 27, 1903, 97-101. wiederum gelesen: ich finde, dass sie die sprachwissenschaftliche Bedeutung des französ. Gelehrten treffend eingeschätzt haben: es ist in der Tat wahr, dass er in seinen Forschungen wenig neue Wege eingeschlagen hat: aber vielleicht hatten Sie damals eines übersehen: er hat doch in einigen das heilige Feuer geweckt. Ohne Gaston Paris hätte Gill[iéron] nie an einen Sprachatlas gedacht: und welche Anregung ist doch so indirekt aus seinem Unterricht hervorgegangen! Gewiss steckt ja nicht Parissche Methode in einer so machtvollen Arbeit wie diejenige, die Gilliéron eben über abeilleJules Gilliéron, Généalogie des mots qui ont désigné l'abeille d'après l'Atlas linguistique de la France , Paris: Champion, 1918. veröffentlicht: aber bedarf es in der hartnäckigen Erforschung verwickelter Probleme nicht ebensosehr der tiefen Begeisterung wie der Methode? Wenn ich G[illiéron] von G. Paris erzählen höre, dann wird mir jeweils bewusst wie sehr die Beurteilung eines Gelehrten nach dem wissenschaftlichen Ertrag seiner Arbeit doch recht unvollkommen sein muss.

Sie werden wohl ebenso wenig gute Nachrichten von Morf haben wie ich: es ist ein tief tragisches Abstürzen, nachdem er so sicher seinen Wagen den steilen Weg hinausfgesteuert hatte.Vgl. HSA 07942-07529. Vgl. besonders die Briefe von Frieda Morf an Schuchardt, HSA 07488-07491. Und doch liegt etwas Versöhnendes darin, dass er, der wie kein zweiter unter den lebenden reichsdeutschen Romanisten mit der Romania freundschaftlich und seelisch verkettet war, nicht das „après la guerre“ erleben muss. Man mag ja noch so starke Hoffnungen auf die Wiederversöhnung der heutigen Gegner hegen: es wird doch eine schwere Zeit kommen, bis sich die aufgepeitschten Wogen gelegt haben. Hoffentlich leiden Urtels Hermann Urtel, (1873-1926), deutscher Romanist und Baskologe. baskische Arbeiten nicht unter der Abwesenheit der nicht mehr stets gegenwärtigen Schützerhand Morfs.

Meine Arbeiten schreiten stets voran: Ende dieses Jahres dürften wohl 5/6 aller französischen Dialektwörterbücher ausgezogen sein. Die italienischen sind noch etwas im Rückstand, aber Ende des nächsten Jahres dürfte auch hier die Ernte weit fortgeschritten sein. Aber eines macht mir allerdings immer mehr Sorgen: die Unterkunft dieser Materialien, die sich in einer Menge auftürmen, dass meine Räumlichkeiten nicht mehr genügen wollen. Und bei den teuren Wohnungsmieten bedeutet dieses Problem des Raumes neue Schwierigkeiten. Wissenschaftlich wird in den romanischen Ländern nicht sehr viel neues geleistet. Dauzat hat einen Corpus des Handwerksjargons Südostfrankreichs veröffentlicht,Albert Dauzat, Les argots de métiers franco-provençaux , Paris: H. Champion, 1917 (Ecole Pratique des Hautes Etudes / Section Sciences Historiques et Philologiques: [Bibliothèque de l'École des Hautes Études / 4]; 223). den ich noch nicht zu Gesicht erhalten habe; Bloch veröffentlicht einen Atlas der Mundarten,Oscar Bloch, Atlas linguistique des Vosges méridionales , Paris: Champion, 1917. eine hübsche Ergänzung zu HorningsZu Adolf Horning vgl. Brief 05183. Arbeit. Der Druck der phonetischen Aufnahmen der Redakteure des Glossaire an sämmtlichen Orten der Westschweiz geht langsam vorwärts: sie werden zum Ausgangspunkt werden für die Frage der Zuverlässigkeit des menschlichen Ohres, da in dem Bande stets die synchronischen Aufnahmen – auch alle Abweichungen – der beiden „enregistrateurs“ figurieren. Aber über alles stelle ich die Arbeit von Gilliéron, die ich mir Ihnen zuzustellen erlaube, sobald sie im Buchhandel zugänglich ist.Gemeint ist Gilliérons abeille -Untersuchung.

Ihre Aufmerksamkeit möchte ich endlich auf zwei Artikel des ausgezeichneten Sachforschers Rütimeyer Leopold Rütimeyer (1856-1932), Schweizer Mediziner, Ethnologe und Ethnograph. aus Basel lenken: sie sind in den Archives suisses d’Anthropologie II (1918) p 229Rütimeyer, „ Beiträge zur schweizerischen Ethnographie. Ueber einige altertümliche Gebräuche bei der Verarbeitung der Cerealien und Kastanien zur menschlichen Nahrung im Kanton Tessin “, Archives suisses d’anthropologie générale II, 1-2, 1916-17, 229-239 (zahlr. Abb.). und im Archiv für schweiz. Volkskunde 1 22 (Heft 1)Rütimeyer, „ Weitere Beiträge zur schweiz. Ur-Ethnographie a. d. Kt. Wallis, Graubünden u. Tessin “, Schweizerisches Archiv für Volkskunde 22, 1918-20, 1-59. erschienen: ich habe den Verl. gebeten, Ihnen zwei Separata zuzustellen, die hoffentlich bald in Ihren Besitz gelangen.

Ich wünsche, dass Ihnen der Sommer recht wohl bekommen möge: vor allem soll die arglistige Grippe Sie gütigst bewahren! Meine Familie hat sich für 4 Wochen in Guggisberg niedergelassen und erfreut sich hier der Essensfülle, die in den Städten der Sage angehört. Warme Wünsche und herzlichen Gruss mit der Bitte, mir mein Stillschweigen gütigst nachsehen zu wollen!

Stets Ihr ergebener Jud Heinimann , 1992, Nr. 15, 22-23 (stark gekürzt).