Jakob Jud an Hugo Schuchardt (16-05164)

von Jakob Jud

an Hugo Schuchardt

Zürich

30. 01. 1915

language Deutsch

Schlagwörter: Manifest der 93 Erster Weltkrieg Schuchardt, Hugo (1915) Schuchardt, Hugo (1915)

Zitiervorschlag: Jakob Jud an Hugo Schuchardt (16-05164). Zürich, 30. 01. 1915. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8496, abgerufen am 01. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8496.


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31.1.15

Verehrter Meister!

Verdiente die bombastische Erklärung von Theoph. Braga eine Würdigung?1 Ich muss es fast bezweifeln: dies alles sollten wir eher von der komischen Seite nehmen, wenn so wenig Gründlichkeit am Werke ist. Dabei gebe ich auch der Anschauung unumwunden Ausdruck, dass der Aufruf der deutschen Gelehrten: Es ist nicht wahr u.s.w.2 bei uns schweiz. Gelehrten eine wenig günstige Aufnahme gefunden, weil wir verlangen, dass an Stelle von Behauptungen auch der Beweis trete. – Ich sende Ihnen in den |2| nächsten Wochen eine Rede des Westschweizers Seippel,3 um Ihr pessimistisches Urteil betreff Westschweiz zu mildern. – Eine schweiz. Antwort auf den Aufruf der d[eu]tschen Gelehrten kenne ich nur als Projekt; ich weiss aber nicht, worauf Nyrop anspielt.4

Mit herzlichem Gruss
Ihr

Jud


1 Vgl. dazu Schuchardt, An die Portugiesen. Deutscher Neujahrsgruß, Graz: Leuschner & Lubensky,1915; Ders., Die Schmähschrift der Akademie der Wissenschaften von Portugal gegen die deutschen Gelehrten und Künstler. Eingeleitet, abgedruckt und übersetzt, Graz: Leuschner & Lubensky, 1915.

2 Sog. Manifest der 93, auch als Aufruf an die Kulturwelt bezeichnet; es / er sollte insbesondere die Neutralen von der Haltlosigkeit des Vorwurfs deutscher Kriegsverbrechen und Greueltaten überzeugen, die als Maßnahmen des Selbstschutzes erklärt werden (z. B. Einmarsch in das neutrale Belgien usw.).

3 Paul Seippel, Die heutigen Ereignisse vom Standpunkte der romanischen Schweiz , Zürich: Rascher, 1915.

4 Kristoffer Nyrop (1858-1931), dänischer Romanist, von 1894-1928 Prof. in Kopenhagen, betrachtete Frankreich als geistige Heimat und zweites Vaterland und trat folglich im Ersten Weltkrieg im neutralen Dänemark als Sachwalter französischer Interessen auf.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05164)