Hugo Schuchardt Archiv

Liebster Schuchardt!

Ihre freundlichen Abschiedesgrüße, für die ich Ihnen danke, erwidere ich herzlich und ist es wahrlich keine leere Redensart, wenn ich gleichzeitig mein Bedauern darüber ausspreche, Sie von hier scheiden zu sehen.¹ Ich hoffe und wünsche, daß Sie in Ihrem neuen Wirkungskreise sich recht wohl fühlen mögen und daß Ihre neuen Landsmänninnen mehr Glück bei Ihnen haben werden als die alten. |2| Daß „Naussauern“, das ja allen Leuten gut bekommt, ist Ihnen hoffentlich auch gut bekommen!² Ich habe mich in Ostende vom Halleschen Staube reingewaschen, leider nur 14 Tage lang, denn obgleich daselbst Männlein und Weiblein bunt durcheinander baden, so war doch die Temperatur des Wassers eine so niedrige geworden, daß kein Aushalten mehr war. Engler ist inzwischen nach Carlsruhe übergesiedelt.³ Ihre übrigen Kollegen vom Mittagstische pflegen noch der Ferienruhe. |3| In den letzten 10 Tagen glich Halle einem großen Heerlager. Truppen aller Waffengattungen zogen durch oder wurden einquartiert. Unser gemeinschaftl. Freund Lehmann⁴ hatte die Ehre den Großherzog von Mecklenburg zu bewirthen.⁵ Wundern Sie sich deßhalb nicht, wenn er nächstens Commerzienrath wird. Er hat mir übrigens zugesichert, daß unser Verhältniß auch dann noch dasselbe bleiben wird. – Sonst nichts Neues „von Paris“.⁶ Adieu, lieber Freund, |1| Glück und Wohlergehen in Gratz!

Mit bestem Gruße

Ihr Gustav Boer

Halle a/S, d. 16.9.76.