Josef Seemüller an Hugo Schuchardt (01-10487)

von Josef Seemüller

an Hugo Schuchardt

Klagenfurt

23. 04. 1908

language Deutsch

Schlagwörter: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien)

Zitiervorschlag: Josef Seemüller an Hugo Schuchardt (01-10487). Klagenfurt, 23. 04. 1908. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8343, abgerufen am 26. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8343.


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[St. Martin b/ Klagenfurt, 23.4.1908]

Hochgeehrter Herr Kollege!

Ich bin Ihnen für Ihre ausführliche Mitteilung sehr dankbar. Das meiste war mir, da ich erst ein „Zweijähriger“ bin,1 neu; neu auch die Summe der Voraussetzungen, die Ihrem Briefe2 zu grunde zu liegen scheinen: Daß Sie heuer einen Vorschlag eingebracht haben, daß – wenn ich aus Ihrem Briefe recht rate – Meyer=Lübke Sievers3 zum EM4 vorschlägt, daß Sie mich von diesem Vorschlage informiert halten.

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Ich lege Wert darauf Ihnen mitzuteilen, daß ich während des ganzen Aprils bisher hier verweilte, die offizielle, gedruckte Verständigung von den bevorstehenden Wahlen erst hier erhielt, vorher in Wien über Personen, die heute für die Wahl in Betracht kämen, mit keinem der Kollegen noch gesprochen habe, und nachher eben jetzt erst mit Ihnen. Sie werden jetzt sich erklären, warum ich in meinem vorgehenden Briefe5 von Minor6 geredet habe: zu Anfang Ihres Schreibens stand „Sie und Seemüller“, und da von Sievers, dem Germanisten, darauf die Rede war, so bezog ich das „Sie“ auf Minor und dachte, Sie seien der Meinung, Minor und ich wollten heuer Sievers zum EM vorschlagen und der Brief, den ich empfing, sei das Gegenstück zu einem ähnlich lautenden an mich, der bei der Kouvertierung an Minor adressiert worden sei, so wie ich den Minor vermeinten erhalten hätte. Aber Minor und ich

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haben heuer noch kein Wort darüber gewechselt, und wenn auch ich, falls ein Anderer ihn vorschlüge, an und für sich nichts dagegen hätte, so gedenke ich heuer die Initiative dazu nicht zu ergreifen. Auch im vorigen Jahr habe ich sie nur für den Vorschlag: Steinmeyer-corr. M.7 ausgeübt; Sievers‘ Nennung als EM gieng wenn ich mich recht erinnere von Meyer=Lübke aus, doch stimmte ich gerne zu, würde es auch heuer, doch ohne etwa einzig und allein ihn im Auge zu haben. So haben mir gleich Ihre Bemerkungen gezeigt, daß bei seiner Kandidatur verschiedene Ansichten möglich sind.

Ich kann nur wiederholen, daß ich für die heutigen Wahlen ein noch unbeschriebenes Blatt bin und mich wirklich freuen werde

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in mündlichem Gespräch noch Weiteres über Ihre Meinung zu hören.

Inzwischen aber wäre ich Ihnen aufrichtig verbunden, wenn Sie durch ein kurzes Wort mir zu schreiben in der Lage wären, daß diese Zeilen Ihnen genügend Aufklärung über meinen persönlichen Standpunkt gegeben haben.

Mit den besten Empfehlungen

Ihr sehr ergebener
Seemüller

St Martin b/Klagenfurt (bis 28./IV) am 23.IV.08.


1 Seemüller wurde 1901 korrespondierendes, 1906 wirkliches Mitglied der Österr. Akademie der Wissenschaften.

2 Schuchardts Korr. mit Seemüller ist leider nicht erhalten.

3 Eduard Sievers (1850-1932), deutscher germanistischer Mediävist und Linguist; er wurde erst 1918 Ehrenmitglied der Kaiserl. Akad. d. Wiss. in Wien (Germanistenlexikon 3, 1731).

4 „Ehrenmitglied“.

5 Nicht erhalten.

6 Jakob Minor (1855-1912), österr. Germanist (Literaturwissenschaft); 1898 korr., 1905 wirkl. Akademie-Mitglied.

7 Elias Steinmeyer (1848-1922), deutscher germanistischer Mediävist und Altphilologe, seit 1907 korr. Mitglied der Wiener Akademie.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10487)