Adolf Schulten an Hugo Schuchardt (14-10413)
von Adolf Schulten
an Hugo Schuchardt
13. 08. 1915
Deutsch
Zitiervorschlag: Adolf Schulten an Hugo Schuchardt (14-10413). Erlangen, 13. 08. 1915. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8332, abgerufen am 16. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8332.
E 13/8.15
Verehrter Herr Hofrat,
Vielen Dank für Ihre Broschüre über Italien.1 Ich habe sie mit tiefer Bewegung gelesen, denn man merkt, was Ihnen jenes Land, jetzt „non donna ma bordello“,2 gewesen ist und auch ich bin 1894-1906 jedes Jahr dort gewandert. Ganz so schwarz wie Sie sehe ich nicht. Eine gewisse liebenswürdige Charakterlosigkeit ist doch ein Grundzug des Italieners, bes. des naiven Volkes (das ja auch gar keinen Teil an diesem Kriege hat) und so
|2|meine ich, man wird ziemlich bald auf dem Lande wieder wandern können, freilich durch die Städte erst später. Ich bin voller Bewunderung für die Verteidigung des Plateaus von Doberdo.3 Das ist glänzender wie manche Offensive. Wenn es so bleibt dann rechne ich mit Revolution in Italien; es ist schon jetzt unruhig. –
Wie erfreulich ist Spanien! Ich erhalte beständig Briefe rührender Treue. Wir, die wir das Land kennen, sollten für Spanien Propaganda machen. Die Süddeutschen Monatshefte würden glaub‘ ich gerne ein Heft „Spanien“ ediren.4
Was meinen Sie?
M. b. Gruß
Ihr erg.
Schulten
1 Schuchardt, Aus dem Herzen eines Romanisten, Graz: Leuschner & Lubensky, 1915.
2 Dante, DC Purg. VI, 76-78.
3 In der vierten Isonzoschlacht versuchten die Italiener Ende im Lauf des Jahres 1915 vergeblich, die nördliche Hochebene von Doberdo del Lago zu erobern.
4 Vgl. Spanien. Süddeutsche Monatshefte, Leipzig-München 1917 (mit deutschen und spanischen Beiträgen).