Adolf Bauer an Hugo Schuchardt (18-00629)

von Adolf Bauer

an Hugo Schuchardt

Wien

03. 04. 1917

language Deutsch

Schlagwörter: Hofbibliothek Erster Weltkrieg

Zitiervorschlag: Adolf Bauer an Hugo Schuchardt (18-00629). Wien, 03. 04. 1917. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8181, abgerufen am 08. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8181.


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[Postkarte WIEN, 3-4-17]

Wien, 3. April 1917

L. Fr.!

Als der Sultan den alten Wrangel1 in seinen Harem führen wollte, soll er gesagt haben: Majestät, Sie überschätzen mir. Du überschätzt meine Stellung in der Akademie und ebenso die der andern Mitglieder, die als misera contribuens plebs an dem Halbrund von Tischen sitzen. Wir sind bloß Zuhörer, gemacht wird alles hinter den Kulissen, ich glaube das Meiste in der Kanzlei, von der man aber nichts hört und nichts sieht. Was

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Redlich2 und Karabacek3 in den Sitzungen verlesen und sagen, stammt auch alles von daher. Jetzt sind Ferien, aber nach deren Ablauf werde ich mit einem der Genannten sprechen, ob und wie das gemacht werden kann, daß Dir Zusendungen erspart bleiben. Ich werde nicht darauf vergessen, weil am 25. April in der Sitzung Dein Brief jedenfalls vorgelesen werden wird; worauf dann Redlich – ich weiß nicht von wem beraten – erklären wird: „Wird dem Herrn N. N. zur Begutachtung zugewiesen“.

Meine Frau und Hilla grüßen Dich vielmals. Robi, der jetzt mit Urlaub bei uns wohnt, wird am 14. d. M. wieder zum Kader nach Graz einrücken; er wurde bei der Konstatierung für gesund erklärt und scheint es auch wieder zu sein. Auch Willi war zur Konstatierung ein paar Tage hier; von dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung wird es abhängen, was mit ihm geschieht. Bei einer der Untersuchungen wurde festgestellt, daß er zeitweilig erhöhte Temperatur hat; er sieht gut aus, ist aber in dem Vierteljahr, da wir ihn nicht gesehen haben, magerer geworden. Gestern besuchte uns Benndorf,4 der jetzt ständig hier ist und nur zeitweilig die meteorologischen Stationen an der Südwestfront zu inspizieren hat.

Herzliche Grüße von uns allen und Deinem
A. B.


1 Feldmarschall Friedrich von Wrangel (1784-1877), bekannt für seinen drastischen Humor.

2 Oswald Redlich (1858-1944), österr. Historiker; vgl. HSA 09172-09174.

3 Joseph Maria von Karabacek (1845-1918), österr. Orientalist und seit 1899 Direktor der Wiener Hofbibliothek; vgl. HSA 05270-05292.

4 Hans Benndorf (1870-1953), österr. Physiker und Astronom, Prof. in Graz; im I. Weltkrieg war er Batteriekommandant an der Südwestfront sowie Leiter der Abteilung für innere Ballistik im Kriegsministerium in Wien.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 00629)