Adolf Bauer an Hugo Schuchardt (08-00619)

von Adolf Bauer

an Hugo Schuchardt

Graz

14. 03. 1903

language Deutsch

Schlagwörter: Universitätsbibliothek Graz Universität Graz

Zitiervorschlag: Adolf Bauer an Hugo Schuchardt (08-00619). Graz, 14. 03. 1903. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8171, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8171.


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Graz 14.III.03

Lieber Schuchardt,

Sowohl Dein letzter Brief an uns und auch die Karte an Gnad1 mit dem von den Engländern überschwemmten Philae2 haben mich lebhaft an die Ufer des Nil zurückversetzt. Ich war trotz der ersten minder befriedigt lautenden Nachrichten sicher, daß der Zauber dieses Landes auf Dich seine Wirkung nicht verhehlen werde.3

Von Bissing4 habe ich eine Karte bekommen, die ich Deiner Rücksprache mit ihm wegen Papyrusankauf verdanke, wofür ich danke. Bissing hat sich an Grenfell & Hunt,5 die jetzt in Scheekh Fadl6 graben, gewendet und diese beiden Herren sind bereit gegen eine Widmung von 10 – 12 £ an den Egy pt-exploration fund pro 1903 und eine gleiche pro 1904 heuer Urkunden des

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1. u. 2. nachchristlichen Jhrts., palaeographical specimens, zu liefern.

Ich habe nun das Ministerium für diese beiden Jahre um Bewilligung von je 300 Kronen ersucht und mich als Vermittler des Ankaufs der Papyri für die Universitätsbibliothek angeboten und in einem Privatbrief an Kelle7 nähere Aufschlüsse über die Art der Erwerbung gegeben. Ich werde die Papyri aber auf jeden Fall kaufen, sobald nur Grenfell & Hunt nähere Nachricht über Zahl und Inhalt geboten haben; mehr als die Hälfte der Summe ist mir, falls der Schritt beim Ministerium versagt schon privatim in Aussicht gestellt, bezüglich des Restes denke ich mir,8 was man wenn ich mich recht erinnere auf arabisch von Bettlern sagt: Allah

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ya tik, dies heißt beiläufig Gott wird dir geben, ob es recht geschrieben ist weiß ich nicht, da ich leider im arabischen Analphabet geblieben bin.

Ein Meisterstück Meringers9 in Fakultäts-Angelegenheiten, in Folge dessen Murko10 genöthigt war, einen bereits auf der Tagesordnung der Sitzung stehenden, das Ordinariat Strekeljs11 betreffenden Antrag zurückzuziehen, ist leider eine zu lange Geschichte, als daß ich sie schreiben könnte; ich hebe sie auf als Gegengabe, wenn Du uns von den ägyptischen Kamelen erzählst.

Gurlitt,12 den ich heute besucht habe, fährt Montag mit dem Bruder Otto13 aus London nach Lovrana ;14 sein Befinden hat sich nicht geändert und was mir Anton15 darüber kürzlich einmal auseinandergesetzt hat, klingt nicht sehr tröstlich, obwohl zur Annahme

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einer Verschlechterung oder Wiederholung des Aufenthaltes kein Grund vorliegt. Ich sehe eben, daß auch in dem Bfe.16 Melas von Kamelen die Rede ist, ich fürchte, daß Dir diese Monotonie unserer Einfälle langweilig ist, mir ist sie ein lehrreiches Beispiel, daß wörtliche Übereinstimmungen nicht immer direkte literarische Abhängigkeit beweisen; auf naheliegende Vergleiche können zwei Darsteller auch unabhängig von einander verfallen.

Mit dem Wunsche, daß es Dir fortan so gut gefallen möge wie bisher in Assuân bin ich

mit herzlichem Gruß

Dein
A. Bauer


1 Ernst Ritter von Gnad (1836-1918), österr. Schriftsteller; vgl. HSA 03784-03784A-03793.

2 Als Tempel von Philae (auch Hut-chenti, Haus des Anfangs) bezeichnet man einen Tempelkomplex in Oberägypten, etwa acht Kilometer südlich von Assuan.

3 Bauer war 1877 als Hauslehrer der Kinder des Politikers und Orientalisten Alfred von Kremer in Kairo tätig gewesen.

4 Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing (1873-1956), deutscher Ägyptologe.

5 Die beiden jungen Papyrologen Bernard Pyne Grenfell und Arthur Surridge Hunt begannen 1896 in Oxyrhynchos zu graben.

6 Meist „Scheich Fadl“, dort gab es einen ptolemäerzeitlichen Friedhof.

7 Carl von Kelle (1859-1935), Beamter im österr. Ministerium für Kultus und Unterricht.

8 Die Homepage der UB Graz verzeichnet alle Papyri, doch enthält sie keinen Hinweis auf Adolf Bauer: „Die Sondersammlung der Universitätsbibliothek Graz ist seit 1904 im Besitz von 42 Papyri aus Oxyrhynchos und Hibeh - eine Gegengabe für die finanzielle Unterstützung der Ausgrabungen durch die Stadt Graz“.

9 Rudolf Meringer (1859-1931), österr. Sprachwissenschaftler, 1899-1930 Prof. des Sanskrit und der vergleichenden Sprachwiss. an der Univ. Graz; vgl. HSA 07037-07071.

10 Matthias Murko (1861-1952), österr. Slawist slowenischer Abstammung, 1902-17 o. Prof. der Slawistik in Graz; vgl. HSA 07609-07634.

11 Karl Štrekelj (1859-1912), österr. Slawist slowenischer Abstammung; seit 1908 o. Prof. der slaw. Philol. mit bes. Berücksichtigung der slowen. Sprache und Literatur an der Univ. Graz; vgl. HSA 11334-11342.

12 Wilhelm Gurlitt (1844-1905), deutscher Klass. Archäologe, seit 1877 ao., seit 1890 o. Prof. in Graz; vgl. HSA 04321-04244.

13 Otto Gurlitt (1848-1905), Bankier in London, Halbbruder von Wilhelm Gurlitt.

14 Lovran (Lovrana), Luftkurort und Seebad etwa 5 km südlich von Opatija, Kroatien.

15 Anton Schönbach?

16 Briefe HSA 00678-00822.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 00619)