Adolf Bauer an Hugo Schuchardt (07-00618)

von Adolf Bauer

an Hugo Schuchardt

Graz

29. 01. 1903

language Deutsch

Schlagwörter: language Türkisch

Zitiervorschlag: Adolf Bauer an Hugo Schuchardt (07-00618). Graz, 29. 01. 1903. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8170, abgerufen am 21. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8170.


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Graz, 29.I 1903

Lieber Freund,

während Du nur etwas erkältet und magenverstimmt an den süßen Wassern des Nil und in der Nähe der fetten Frau Sala-Pascha weilst,1 nötigt mich meine Papyrusedition die ganze Sahara der Kirchenväter und christlich-chronographischen Literatur zu durchmessen.2 Genieße also die Gegenwart, die Dir beschieden ist, über die Vergangenheit Deiner Geisteswunder wirst Du noch bald genug die Details erfahren. Einstweilen: „Graf“ ist nichts, da er einen Bruder hat der bloß Sala heißt, „Generaladjutant“ d. Vicekönigs Ismaël Pascha wird es ausgesprochen; durch Vermittelung des Kaisers Franz-Josef „Stallmeister“ geworden ist die zugrund liegende Thatsache, worauf er aus dem österr. Unterthanenverband austrat, Italiener und Graf wurde. Er war ein sehr hübscher Mensch und seine jetzige Frau, die eine ebenso bewegte Vergangenheit als viel Geld hatte, rivalisierte mit der Tochter Ismaël Paschas, der verstorbenen Mansur-Paula, ihn zu besitzen. Durch den finanziellen Zusammenbruch der Mansur blieb sie Siegerin, und wurde seine Frau.

Deine bisherigen Erfahrungen über die Papyruserwerbung stimmen zu dem, was ich davon weiß. Ich würde das Ministerium gerne um Geld angehen, aber für erst zu kaufende Papyri bin ich sicher keine zu erhalten. Von wem ist denn Vitelli3 beauftragt zu kaufen? Bissings4 Anerbieten hat wenig Verlockendes; wahrscheinlich macht es das Museum von Gizeh dh. Kasr en Nil5 mit den Papyri ebenso, wie mit anderen in großer Zahl vorhandenen Funden, und verkauft solche

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an Liebhaber; anders kann ich mir das Angebot Bissing’s bereits publicierte Texte zum Ankauf zu vermitteln, nicht erklären.

Das Chronicon Alexandrinum, das ich jetzt bearbeite,6 ist beim Schech Ali bei den Pyramiden, einem berufsmäßigen Händler, gekauft worden; er soll aber unverschämte Forderungen stellen, vielleicht läßt er aber auch mit sich handeln, wie der Ehrenmann, bei dem Vitelli gekauft hat.

Durch die kleinasiatische Kommission wird meine Papyruspublikation in den Druckschriften der Wiener Akademie erscheinen; ich habe darüber an Benndorf7 geschrieben, der diesen Weg und seine Vermittelung in liebenswürdiger Form zugesagt hat.8

Ȏa dah rak ya chawaga,9

grüße mir el haram betâ Gizeh10 und sei selbst herzlich gegrüßt von

Deinem

Adolf Bauer


1 Schuchardt hielt sich im Februar/April 1903 in Ägypten auf. Der Name könnte eine Anspielung auf den osmanischen Staatsmann Halushi Salih Pasha (1864-1939) sein?

2 Vgl. Die Chronik des Hippolytos im Matritensis graecus 121 / von Adolf Bauer. Nebst e. Abhandlung über den Stadiasmus Maris Magni von Otto Cuntz, Leipzig: Hinrichs, 1905 (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur ; N.F., Bd. 14, H. 1 = 29,1).

3 Girolamo Vitelli (1849-1925), Prof. in Florenz, Klass. Philologe und Ägyptologe; vgl. HSA 12490-12493.

4 Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing (1873-1956), deutscher Ägyptologe.

5 Qasr el Nil Str., die zum Ägypt. Museum führt.

6 Es handelt sich um eine im Oströmischen Reich in griechischer Sprache verfasste Chronik, die um 630 entstanden ist. Eine Edition Bauers konnte nicht nachgewiesen werden.

7 Friedrich August Otto Benndorf (1838-1908), deutscher Klassischer Archäologe und der Begründer des Österreichischen Archäologischen Instituts ; vgl. HSA 00932-00933.

8 Bauer, „Beiträge zu Eusebios und den byzantinischen Chronographen“, Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.-Hist. Kl., Wien: Hölder, 1909, Bd. 162, 3.

9 Transkription nicht aufgelöst; vermutlich einer türkischen Zeile ( Türkisch wurde bis 1928 mit arabischen Buchstaben geschrieben).

10 „Wohnviertel der Pyramiden“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 00618)