Karl Zangemeister an Hugo Schuchardt (10-12952)

von Karl Zangemeister

an Hugo Schuchardt

Heidelberg

20. 06. 1888

language Deutsch

Schlagwörter: Universität Heidelberglanguage Baskisch Mommsen, Theodor Rom Bleuler, Anna Kathrin (2018) Zangemeister, Karl (1892)

Zitiervorschlag: Karl Zangemeister an Hugo Schuchardt (10-12952). Heidelberg, 20. 06. 1888. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8124, abgerufen am 31. 05. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8124.


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GROSSH. BADISCHE
UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK HEIDELBERG, den 20 Juni 1888.
No.

Lieber Freund,

es hat mich sehr gefreut, von Dir persönlich ein Lebenzeichen zu erhalten. Mir geht es gut. – Von Mommsen ist mir keine Äußerung bekannt, welche den „genius latinus“ verletzt haben könnte, als ein Toast, welchen er bei einem Festessen in sehr vorgerückter Stunde in Rom, ich glaub in den 70er Jahren (vor 1877) ausgebracht hat. Soviel ich damals hörte, hatten seine Bemerkungen besonders bei den Franzosen angestoßen, es scheint aber nach Deiner Mittheilung, daß sich auch die Bolognesen getroffen gefühlt haben (es handelte sich, soviel ich gehört habe, besonders um den Vorwurf der Faulheit). |2| M. hatte vielleicht in der Weinlaune etwas stark aufgetragen. Wie er übrigens über die Italiener denkt, hat er bald darauf in der Vorrede zum 5. Band des Corpus ausgesprochen.

Von Baskischem besitzen wir natürlich wenig; Einiges haben wir kürzlich noch mit Trübner’s Bibliothek erhalten.1 Ich schreibe Dir alle Titel hier zusammen:

1) van Eys, Dict. 1873

2) --------- Essai, éd. 2, 1867

3) Pott, Familiennamen 1875

4) Hannemann, Proleg. 1884

5) L. L. Bonaparte, Langue Basques et langues Finnoises. 1862.

6) Canticum canticorum tribus Vasconiae dialectis in Hisp. vegentibus versum Lond. 1858.

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Canticum trium puerorum in septem praecipuos Vasconiae linguae dialectos versum. L. 1858. ed. 1. et 2.

Was Du davon wünschest, soll Dir sofort zugeschickt werden.

Ueber die Wiedergewinnung der Manesse-Hs. wirst Du Dich mit uns gefreut haben.2 Kannst Du mir die Etymologie des Namens Manesse (Manezze) ausfindig machen.3 Das Wappen der Familie mit einem Manne, der einen andern ißt, beruht natürlich auf Volksetymologie. Die Burg der Familie hieß Manegg (Maneck = [Bergecke] Ecke des Mano), aber damit scheint der Name Manesse nicht zusammenzuhängen, wie Kundige sagen (z. B. Meyer in den Zürcher |4| Abhh.). Oder hältst Du das doch für Möglich? Mit dem romanischen Manetti hat der Name wol nichts zu thun? – Ein berühmter elsässicher General Murat’s in Neapel hieß Manhès (Manès) – viell. derselbe Name, aber auch unbekannter Ableitung.

Mit freundlichem Gruße und der Hoffnung, daß wir uns bald einmal wiedersehen,

herzlichst

Dein

K. Zangemeister


1 Der in London ansässige, aus Heidelberg stammende Verleger Nikolaus Trübner (1817-1884) stiftete anlässlich ihrer 500-Jahr-Feier der Universität Heidelberg im Jahr 1886 nahezu seine gesamte Privatbibliothek. Da er aber kurz vor seinem 67. Geburtstag am 30. März 1884 verstarb, erfüllte seine Witwe dieses Vermächtnis und übergab die Bibliothek im Sommer 1885.

2 Zu Einzelheiten vgl. Anna Kathrin Bleuler, Der Codex Manesse: Geschichte, Bilder, Lieder, München: Beck, 2018 (C.H. Beck Wissen; 2882). – Vgl. auch Zangemeister, Die Wappen, Helmzierden und Standarten der Grossen Heidelberger Liederhandschrift (Manesse-Codex), Görlitz: C. A. Starke-Heidelberg: August Sieber, 1892.

3 Sie geht möglicherweise auf den Namen der Stammburg Manegg b. Zürich zurück, doch wäre es auch möglich, daß die Burg sich vom Namen der Manesse herleitet.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 12952)