Julius Zacher an Hugo Schuchardt (14-12940)

von Julius Zacher

an Hugo Schuchardt

Halle

26. 01. 1876

language Deutsch

Zitiervorschlag: Julius Zacher an Hugo Schuchardt (14-12940). Halle, 26. 01. 1876. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8114, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8114.


|1|

Halle 26 Januar 1876

Hochgeehrtester herr college!

Über hrn. prof. Briegers1 gegenwärtige verwaltung unserer universitätsbibliothek mir ein urteil zu bilden bin ich einigermassen berechtigt und befähigt worden, da ich auf wunsch der vorgesezten behörde und zugleich auf seinen eigenen mich um den gegenwärtigen stand der sache gekümmert habe, und ihm auch in geeigneter weise zur hand gegangen bin. Nach massgabe meiner bescheidenen sachkenntnis und meiner bibliothekarischen erfahrung habe ich nun guten grund mit seiner verwaltung recht zufrieden zu sein, und habe mich demgemäss auch gegen die vorgesetzte behörde ausgesprochen. Und, so viel ich weiss, hat seine vorsicht, bescheidenheit und gefälligkeit nicht bloss meine anerkennung, sondern auch das lob anderer collegen gefunden, namentlich solcher, welche die bibliothek sehr viel und schon seit einer langen reihe von jahren benutzen.

Sie bezichtigen hrn. Brieger „ganz ausserordentlicher anmassung“ und behalten sich vor, ihn darüber in der Ihnen geeignet scheinenden weise „zu belehren“. Da nun hr. Brieger auch in diesem falle nicht ohne meinen rath gehandelt hat, bin ich der eigentlich schuldige, und habe dem nach Ihre belehrung zu gewärtigen. Nicht darüber hatten wir |2| uns schlüssig zu machen, ob wir das vergehen wagen sollten, unser urteil über den absoluten wert des buches über das Ihrige zu setzen, sondern wir hatten lediglich aus bibliothekarischen gründen zu erwägen, ob der ankauf des buches zum ladenpreis jetzt für die bibliothek geboten sei.

Nach ermittlung der finanzlage der bibliothek hatte ich den antrag gestellt, in ihrer rechnungs- und zahlungsweise eine durchgreifende änderung einzuführen, und der herr curator hatte diese änderung sofort genehmigt, weil er deren nützlichkeit und notwendigkeit augenblicklich erkannte. Gerade jezt war der richtige zeitpunkt für eine solche änderung; ihre ausführung aber bedingte zugleich eine vorsichtige beschränkung der ausgaben auf das wirklich notwendige für diese übergangszeit. Auch muss gesorgt werden, dass der später neu eintretende oberbibliothekar nicht einen geldmangel, sondern im gegentheil die nötigen mittel vorfinde für massnahmen die nach lage der dinge ihm aufgespart werden müssen.

Wir, und andere collegen, selbst solche die bei mässiger besoldung für eine mehr oder minder zahlreiche familie zu sorgen haben, pflegen bücher dieses preises, wenn sie derselben für ihre vorlesungen häufiger bedürfen, selbst zu kaufen, ganz absehend davon ob die bibliothek sie besitze oder nicht. Ein gleiches haben wir von Ihnen vorausgesetzt, und mussten es voraussetzen, weil wir nicht berechtigt zu sein meinten, unsere achtung vor Ihrem wissenschaftlichen sinne auf eine |3| niedrigere stufe zu stellen.

Nach unserer kentnis der bibliotheksbenutzung glaubten wir uns ferner zu dem urteile berechtigt dass für das übrige die bibliothek benutzende publicum die sofortige anschaffung dieses buches grade jetzt nicht eben ein wirkliches und dringendes bedürfnis sei. Sollte sich aber das bedürfnis über kurz oder lang herausstellen, so ist ja auch nichts versäumt, denn das buch ist ja jeder zeit käuflich zu haben, und ein geschickter und erfahrener bibliothekar wird auch die wege zu finden wissen, auf denen er es am besten und billigsten erlangt.

Da ich mit amtlichen anforderungen reichlich bedacht bin, würde es nicht billig sein, wenn man von mir verlangen wollte, dass ich über einzelne dergleichen anschaffungen oder nichtanschaffungen brieflich bericht und rechenschaft gebe. Es muss schon die versicherung und die überzeugung genügen, dass nichts ohne triftigen und zureichenden grund angekauft oder abgelehnt wird. – Den naiven einfall freilich, die entscheidung über den ankauf von büchern von dem befinden „einer commission“ abhängig zu machen, würde jeder tüchtige bibliothekar ablehnen müssen.

Mit besonderer hochachtung habe ich die ehre zu sein

Ihr

ganz ergebenster

J. Zacher.


1 Theodor Brieger (1842-1915), seit 1873 ao. Prof. der Kirchengeschichte, 1886 Wechsel nach Leipzig.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 12940)