Gustav Meyer an Hugo Schuchardt (12-07171)

von Gustav Meyer

an Hugo Schuchardt

Prag

22. 09. 1879

language Deutsch

Schlagwörter: Kremer von Auenrode, Lodvina Scherer, Wilhelm Wolf, Michaela (1993)

Zitiervorschlag: Gustav Meyer an Hugo Schuchardt (12-07171). Prag, 22. 09. 1879. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8042, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8042.


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Prag 22/9 79

Lieber Freund

Die gestern von Ihnen aus Paris erhaltene Nachricht, daß Sie von mir in Madrid keinen Brief vorgefunden hätten, beweist mir, daß der von mir aus Tirol dort hin gesendete verloren gegangen ist, was mir um so schmerzlicher ist, als derselbe Sie über das wichtigste Ereignis der diesjährigen Saison, meine Verlobung mit Marie Kelle1, aufklären sollte. Ich kann hier nur das einfache Factum wiederholen, ohne die erbaulichen Betrachtungen des letzten Briefes. Ihre Erschütterung darüber wird hoffentlich keine nachhaltigen Wirkungen auf |2| Ihr Nervensystem haben. Ich bin seit zwei Tagen hier, und freue mich umso mehr, daß Sie die Absicht haben Lidwina2 wiederzusehen. Ich wohne diesmal nicht dort, teils weil mir die Entfernung von Kelles zu weit ist, teils weil die edle Frau in sehr weit vorgeschrittenem Stadium guter Hoffnung ist. Hoffentlich schreckt Sie das nicht ab. Wenn Sie kommen, wohnen Sie, wie ich, im „Erzherzog Stefan“, Rossmarkt, schreiben Sie mir rasch eine Karte mit Angabe der Stunde u. des Bahnhofes. Ich werde mich dann freuen, Ihnen die Honneurs von Prag machen zu können. Ich erzähle Ihnen dann auch eine höchst amüsante Geschichte von Spaur.3 Lidw[ina] freut sich Sie zu |3| sehen und Ihnen den Kopf zurecht setzen zu können.

In Gmunden habe ich mit Scherer und Frau,4 d.h. mehrere etwa als zu Amerika (??), angenehme Tage verlebt.

Von Ihren Vorlesungen weiss ich nur so viel, daß Sie 4 oder 5, lauter sehr kleine, angekündigt haben.

Feder und Dinte hier zu erbärmlich, auch habe ich Hunger und will frühstücken gehen. Auf baldiges Wiedersehen freut sich

Ihr

tr. ergebener

GM

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1 Die Verlobte ist eine Tochter des Prager Germanisten Johann (von) Kelle (1828-1909), mit dem Meyer seit seiner Prager Zeit befreundet war; Marie Anna, die später Valerian von Mikulicz-Radecki (1855-1910), österr. Offizier (später General) und Militärhistoriker, heiratete. Wann und warum sie und Meyer ihre Verlobung lösten, ließ sich nicht ermitteln.

2 Lidvina / Lidwina / Lidwine Edle von Kremer-Auenrode, geb. Delia / Deligath (1848-?), Frau des Juristen Hugo Kremer von Auenrode (1833-1888); vgl. HSA 05792-05818 (Wolf, Nachlaß, 40 schreibt Lodvina Kremer von Auerrode).

3 Keine näheren Angaben. Die Spaur waren eine alte, weitverzweigte Tiroler Familie, von der Mitglieder auch in Graz lebten.

4 Marie Leeder (1855-1939), Konzertsängerin, seit 1879 mit dem Germanisten Wilhelm Scherer (1841-1886) verheiratet.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07171)