Gustav Meyer an Hugo Schuchardt (11-07170)

von Gustav Meyer

an Hugo Schuchardt

Graz

07. 08. 1879

language Deutsch

Zitiervorschlag: Gustav Meyer an Hugo Schuchardt (11-07170). Graz, 07. 08. 1879. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.8041, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.8041.


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Graz 7.8.79

Lieber Schuchardt

Ihren letzten Alhambrabrief habe ich erhalten u. danke Ihnen dafür. Sie werden inzwischen einen von mir in Cadiz vorgefunden haben. Daß ich in Ihrer Feuilletonangelegenheit keinen besseren Erfolg hatte, ist mir schmerzlich, Sie müßen nun schon bis zu Ihrer Rückkehr warten. Wann denken Sie denn an die Heimreise? Nach meinem Gefühl dürfen Sie nach solcher Behandlung überhaupt nichts mehr für die NFrPr. schreiben. |2| Es wird Sie interessieren, dass in dem neuesten Hefte von Böhmers Rom. Studien das bestimmte Opus von Hasdeu von Cihac furchtbar zermalmt wird.1 Ich habe neulich keine Zeit gehabt die sehr umfängliche Recension ganz zu lesen, habe aber mit Schmerz constatiert, daß auch ich bei dieser Gelegenheit wegen meines Panegyrikus in der Augsburger einige sanfte Nasenstüber abkriege, was mir nur dadurch versüßt wird, daß es in Ihrer Gesellschaft geschieht.2 Sie werden zB. bitterlich beklagt, daß Sie die Ansicht über mal Bug teilen etc.3 Im übrigen teilt Förster in demselben Heft der Welt mit, daß er nun endlich frisch an die Ausgabe neuer Texte gehen werde, nachdem er einige Schüler |3| erzeugt, die die grammatische und lexikalische Bearbeitung derselben übernehmen wollen.

übernehmen wollen. Von hier nichts neues. Auf Sacher-Masows „Schwarze Punkte“ ist mit „Blauen Flecken“ geantwortet worden, und ein großer Unbekannter hat neuerdings „Das Mädchen aus der Fremde“ besungen4, welches Opus ich aber noch nicht zu Gesicht bekommen habe. Ich selbst bin noch immer hier und weiß nicht, ob ich überhaupt fortgehen werde. In den letzten Wochen hatte ich recht angenehmen Verkehr mit Brugsch5, der aber heut auf einige Wochen nach Berlin gefahren ist. Sonst gehört zu meinen neuesten Errungenschaften Frau Major Kollmann6 mit ihrer Tochter, die ich manchmal, wenn |4| ichs vor Langeweile gar nicht mehr aushalten kann, besuche. Heiß ists hier seit ein paar Tagen zum Verzweifeln und dabei weder andalusischer Himmel noch andalusische Menschen.

Da ich diesen Brief in einem kleinen Kater schreibe, den mir ein gestriges Gelage mit Brugsch zugezogen hat, werden Sie wenig Freude daran haben. Darum schließe ich, bis nächstes Mal Ihnen weiter ertragreiche Fahrt wünschend

Ihr
GM.


1 A. de Cihac, „Sur les études roumaines de M. Hadjĕu“, Romanische Studien 4, 1879-1880, 141-184 Bespr. von B. Petriceicu-Hasdeu, Cuvente den bătruni. Limba romănă vorbită intre 1500-1600. Studiu paleografico-linguistic, cu observaţiuni filologice de Hugo Schuchardt; tomul I. Bucuresci 1878). Der Rez. moniert u.a., dass Schuchardts Bemerkungen fehlen: „Mr. Hadjĕu veut nous offrir dans ce second volume ses propres suppléments très-nombreux aux notes de Mr. Schuchardt, de sorte que nous pouvons nous promettre, sans aucun doute, un des travaux philologiques les plus intéressants sous plus d’un rapport“ (184). – Zur weiteren „Geschichte“ der Auseinandersetzung Hasdeu-Cihac vgl. HSA Korrespondenzstück 60-1192 (Schuchardt an Hasdeu, 5.11.1879).

2 Es handelt sich nur um wenige Anmerkungen de Cihacs (z. B. rec. cit., 165): „Selon Mr. H. melc est le zend mûraka ,limaçon‘ et le celte melc‘ hueden ,limaçon‘. Mr. H. ajoute, que Mr. Schuchardt, approuvant cette étymologie, y rattache aussi le lat. murex ,coquille‘; (vgl. Schuchardt, Hasdĕu, Zeitschrift für roman. Philologie 1877 I. 482 et Gustav Meyer Allg. Augsb. Zeit. N° 42, 11.2.1879). Meyer wird mal als Gustave, mal als Gustav angeführt!

3 Rec. cit., S. 164

4 Heinrich Grieder, Das Mädchen aus der Fremde. „In einem Thal“ (Gedicht von Schiller), Partitur, gedr. 1880.

5 Heinrich Karl Brugsch (Brugsch-Pascha; 1827-1894), deutscher Ägyptologe. Er lebte ab 1876 abwechselnd in Graz und Kairo.

6 Vermutlich die Witwe von Bernhard Kollmann, dem Gründer und Eigentümer der Grazer Pferdetramway.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07170)