Walter Erving Crum an Hugo Schuchardt (25-02061)

von Walter Erving Crum

an Hugo Schuchardt

Wien

27. 05. 1914

language Deutsch

Zitiervorschlag: Walter Erving Crum an Hugo Schuchardt (25-02061). Wien, 27. 05. 1914. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7916, abgerufen am 01. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7916.


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VIENNA IV.
JOHANN STRAUSSGASSE 28
27.5.14

Lieber Herr Hofrat

Ihre Karte war für uns eine wahre Enttäuschung: wir hätten Sie doch so gerne wieder in Wien gesehen. Jetzt bereuen wir es, dass wir Graz nicht auf der Rückreise aus Albania besucht hatten. |2| Doch begreife ich sehr wohl, dass Sie vor dem [Text: der] Wiener Aufenthalt scheu werden. Uns graut es ebenso zuweilen, dass wir in der Grossstadt, anstatt ruhig draussen am Lande, wohnen. Ich vermeide mehr und mehr die Kärntnerstrasse und alles was jener Name |3| bedeutet.

Und nun, für unsere Sünden, müssen wir gerade nach Baden! übersiedeln; oder eher im Juli, zu der Zeit, wo dort alles am schrecklichsten ist. Aber meine Frau muss unbedingt eine Rheumatismuskur machen – die von vorigem Jahre, in Plombières, half nichts |4| und bis dahin sind wir hier durch eine grosse Sendung koptischer Ostraka1 gebunden, die soeben – sehr verspätet – eingetroffen sind, und die bis Oktober durchzuarbeiten sind.

Habe ich Ihnen schon erzählt, dass ich im Begriff bin, mich Leib & Seele an die Berliner Akademie zu verkaufen;2 d. h. mein Wörterbuch durch ihre Unterstützung – da sich Niemand in England dazu meldete – weiterzuführen?

Mit den besten Grüssen, auch von meiner Frau Ihr
WECrum


1 Scherben von Tongefäßen.

2 In den SB d. Kgl. Preuss. Akad. d. Wiss. 1917, 127-128 berichtet Adolf Erman: „Das Kuratorium der WENTZEL-HECKMANN-Stiftung hat am 28. Mai 1914 beschlossen, ein Wörterbuch der koptischen Sprache herauszugeben und hat dessen Ausarbeitung Hrn. W. E. CRUM in Wien übertragen. (…) Hr. W. E. CRUM, in dessen Hand die Ausführung gelegt ist, hat bei seinen mannigfaltigen Veröffentlichungen dem lexikalischen Befunde stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt und seit einigen Jahren auch direkt für ein koptisches Wörterbuch vorgearbeitet. Aber die Menge des zu verarbeitenden Stoffes ist zu groß, als daß sie sich so durch die Arbeit eines einzelnen bewältigen ließe. Durch das Eintreten der WENTZEL-HECKMANN-Stiftung ist es nun möglich geworden, das Unternehmen auf breitere Basis zu stellen und andere Mitarbeiter heranzuziehen. Es wird beabsichtigt, dem Werke etwa den doppelten Umfang des Peyron zu geben und es ebenso wie diesen in lateinischer Sprache zu veröffentlichen“. – Auf S. 101 heißt es (Bericht über das Koptische Wörterbuch. Von Hrn. ERMAN): „Über das Koptische Wörterbuch, dessen Mitarbeiter nun schon im dritten Jahr voneinander getrennt sind, ist infolgedessen wenig zu berichten. Wir wissen zur Zeit nur, daß in England Hr. CRUM auch in diesem Jahr weitergearbeitet hat und daß in Deutschland Hr. WIESMANN die ihm zunächst zugewiesene Aufgabe erledigt hat. Er hat in diesem Jahr die ,Actes des MARTYRS‘ von HYVERNAT und die in LAGARDES ,Orientalia‘ enthaltenen Bücher des Alten Testaments exzerpiert“. (In früheren Bänden wurden keine Hinweise auf das Projekt gefunden. Wiesmann war ansonsten beim Wörterbuch der ägyptischen Sprache beschäftigt). – Im „Preface“ seines Wörterbuchs (xx, p. v) schreibt Crum: „But early in 1914 a definite proposal to publish, at their expense and with provision of funds for collaboration, photography &c., came from the Berlin Academy. This generous offer I owed to Professor Erman, who saw the need of a Coptic dictionary on a scale worthy of that of the hieroglyphic Wörterbuch and who issued a statement on the subject (In the Sitzungsberichte 1915, 127. I may perhaps add that, had I not accepted this proposal, the Academy was to have set about producing a Coptic dictionary of its own). A schema was drawn up and work begun and if the outbreak of war had not put an end to all hopes of carrying through such projects, the book would have been completed long ere now“. – „1894 gründet Maria Elisabeth Wentzel (geb. Heckmann 20.03.1833 - 05.02.1914), genannt Elise, die jüngste Tochter des Kupfer-Industriellen Carl Justus und der Mathilde Heckmann, die Hermann und Elise geborene Heckmann Wentzel-Stiftung. Ein Millionenerbe hat die kinderlose Witwe zur Begründung der Stiftung veranlasst, welche sie laut Stiftungsstatut „für sich und in Erfüllung der Wünsche ihres verstorbenen Gemahls und zu Ehren des Andenkens ihres Vaters“ zugunsten der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin errichtet. Der Stiftungszweck lautet 1894: ,durch Gewährung der erforderlichen Mittel und Beihülfe zu denselben die Ausführung wichtiger wissenschaftlicher Forschungen und Untersuchungen zu ermöglichen oder zu fördern und die Ergebnisse der mit Hülfe von Stiftungsmitteln ausgeführten Arbeiten im Interesse der Wissenschaft zu veröffentlichen.‘ Diese Ziele verfolgt die Stiftung bis heute“ ( http://www.bbaw.de/die-akademie/foerdereinrichtungen/hws/geschichte)

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 02061)