Walter Erving Crum an Hugo Schuchardt (10-02046)

von Walter Erving Crum

an Hugo Schuchardt

Wien

27. 04. 1913

language Deutsch

Zitiervorschlag: Walter Erving Crum an Hugo Schuchardt (10-02046). Wien, 27. 04. 1913. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7901, abgerufen am 01. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7901.


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VIENNA IV
JOHANN STRAUSSGASSE 28
27.4.13.

Lieber verehrter Herr Hofrat.

Dass Sie uns ein Lebens-Zeichen geben, erfüllt mich mit Beschämung! Es hätte längst umgekehrt geschehen sollen; nur habe ich seitdem an gedruckten Lebenszeichen nichts anzubieten, und zum Schreiben komme ich nur allzu selten. Da ich aus |2| Ihrer wundervoll gelehrten Anzeige nichts über Ihr persönliches Befinden zu entnehmen vermag! so hoffen wir dass „no news is good news“, und dass es Ihnen recht gut geht.

Wir sind eben von einer kurzen Reise nach Karlsbad zurück – nicht um die Kur, sondern |3| nur um Erman1 einmal wieder zusehen, der jetzt jährlich dahin gehen muss. Ich fürchte, zu viel Wörterbucharbeit habe ihm die Gesundheit ernstlich verdorben. Munter ist er aber immer wie früher, und für mich natürlich sehr anregend.

Ich beschäftige mich augenblicklich mit einem Pack von Papyrusfetzen, die mir aus Aegypten zugeschickt worden sind. Darunter sind ein paar |4| weiterer, winziger Bruchstücke aufgetaucht, von jenem Zentralasiatischen, manichäischen Schrifttum, in syrischer Schrift, welche F. W. K. Müller seiner Zeit in der Berliner Akademie behandelt hat2 – also, zum 2. Male aus Aegypten! Ein merkwürdiger Beweis der grossen Verbreitung jener Literatur des 4.-6. Jahrh. Im kommenden Monate fällt Ihre Reise nach Wien, nicht wahr? Wie wir uns freuen würden, wenn Sie uns das Datum angeben und damit Gelegenheit, Sie wieder zu sehen, geben wollten, brauche ich ja nicht zu sagen

Mit der Bitte, uns Prof. Rhodokanakis3 aufs Herzlichste zu grüssen, verbleibe ich Ihr ganz ergebener
WECrum


1 Adolf Erman (1854-1937), bekannter Ägyptologe.

2 Friedrich Wilhelm Karl Müller, Ein Doppelblatt aus einem manichäischen Hymnenbuch (Maḥrnâmag), Berlin: Verl. der Königl. Akad. der Wiss., 1912; 40 S., II Taf. (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften; 1912,5).

3 Nikolaus Rhodokanakis (1876-1945), griech.-österr. Semitist und Arabist.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 02046)