Julius Cornu an Hugo Schuchardt (094-01803)

von Julius Cornu

an Hugo Schuchardt

Leoben

21. 03. 1911

language Deutsch

Schlagwörter: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien) Ettmayer, Karl von Ettmayer, Karl (1910)

Zitiervorschlag: Julius Cornu an Hugo Schuchardt (094-01803). Leoben, 21. 03. 1911. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann und Katrin Purgay (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7814, abgerufen am 17. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7814.


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Leoben, 21. März 1911.

Lieber Freund,

Wenn ich in Graz wäre,1 hätte ich dir meine Glückwünsche zur neuen Ehrung2 mündlich dargebracht. Ich thue es nun auf schriftlichem Wege und füge den Wunsch bei, es mögen viele noch darauf folgen.

Während der letzten Tage habe ich die Vorträge zur Charakteristik des Altfranzösischen,3 die Karl von Ettmayer vor einigen Monaten herausgegeben hat, genau durchgelesen. Zu meiner |2| Beschämung muss ich gestehen, dass ich von dem Verfasser eine allzu günstige Meinung hatte. Wenn irgend etwas das Altfranzösische nicht charakterisirt, so sind es diese Vorträge, die dem Inhalte, der Form und dem Drucke nach gleich liederlich sind. Wie ein Studirender daraus klug werden könnte, vermag ich nicht einzusehen. Mit einem Worte, das Buch ist ein Skandal. Durch das Buch hat K. v. E. sich gerichtet und hingerichtet.

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Eine böse Erkältung war Schuld daran, dass ich dich so lange nicht besuchen konnte. Morgen Abend fahre ich nach Graz zurück und hoffe dich wohl auf anzutreffen.

Mit herzlichen Grüßen

Dein
J. Cornu.


1 Cornu hatte sich mit Ende des WS 1910/11 vorzeitig pensioniern lassen und war nach Leoben verzogen. Friedwagner schreibt dazu in seinem Nachruf: „Nach dem Rücktritt H. Schuchardts vom Lehramt (1900) wurde Cornu nach Graz berufen, wohin er im nächsten Jahre übersiedelte. Zehn Jahre dann hat er dann diese Lehrkanzel innegehabt, bis er […] im Sommer 1911 in den Ruhestand trat. Er war damals erst 62 Jahre alt und noch sehr rüstig; aber der plötzliche Tod seines ältesten Sohnes Felix, der eben als Privatdozent in die wissenschaftliche Laufbahn eingetreten war und als Chemiker hohe Erwartungen zu rechtfertigen begann, traf ihn im Lebensmark. So zog Cornu mit der tiefgebeugten Gattin von Graz nach Leoben, wo auch der letzte Sohn Adolf [= Adolphe (1885-1944), Ingenieur, später Erbe von Felix sr. und Bewohner von Riant-Port] an der montanistischen Hochschule seine akad. Tätigkeit begonnen, und in dieser schön gelegenen Bergstadt an der Mur verbrachte er, mehrmals Reisen in die alte schweizerische Heimat unternehmend, seinen Lebensabend. Die letzte Zeit des Krieges lebte er bei seinem Bruder [= Felix sr., 1841-1920, bekannter Chemiker], der ihm einst in Basel so hilfreiche Hand geboten, auf dessen Besitzung in Riant-Port bei Vevey, und dort hat er auch unter der herzlichen Teilnahme seiner Landsleute, Freunde und ehemaligen Schüler seinen 70. Geburtstag begangen und viele Beweise aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit empfangen. Schwere Ischias quälte ihn die letzte Zeit, aber an ein nahes Ende dachte wohl niemand. Nach Leoben zurückgekehrt, ist er dort unerwartet am 27. November 1919 nach kurzer Krankheit verschieden“ (S. 211).

2 Vermutlich die Medaille der Akademie der Wissenschaften zu Wien, die Schuchardt am 10. März 1911 verliehen wurde.

3 Karl von Ettmayer, Vorträge zur Charakteristik des Altfranzösischen, Freiburg i. Ue.: Selbstverlag, 1910.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01803)