Julius Cornu an Hugo Schuchardt (067-01776)
von Julius Cornu
an Hugo Schuchardt
09. 04. 1896
Deutsch
Zitiervorschlag: Julius Cornu an Hugo Schuchardt (067-01776). Prag, 09. 04. 1896. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann und Katrin Purgay (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7787, abgerufen am 10. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7787.
[Correspondenz-Karte – Korespondenčni Lístek, PRAG-PRAHA, 9.4.1896]
Lieber Freund,
Die schweren Zeiten welche vor vier Monaten auf uns gekommen sind,1 waren auch für meine metrischen Untersuchungen keine Förderung.2 Nicht etwa, dass ich in den letzten Monaten nicht viel gearbeitet hätte – Arbeit bleibt ja bei schweren Prüfungen die einzige vernünftige Ablenkung von den traurigen nicht weichenden Gedanken, – aber ich habe [Text: aber] nur weiter geforscht, ohne etwas fertig zu machen. Ich hoffe bestimmt, dass ich noch in diesem Jahr dir das ganze System vorlegen, dazu eine Ausgabe des Horaz – nur seiner Hexameter – mit genauer Angabe der Sprechpausen mit abdrucken kann. In den letzten Tagen habe ich einen wunderschönen Beweis dafür gefunden, dass der dynamische Akzent einzig und allein gewisse Erscheinungen des lat. Versbaus vollkommen erklärt. Sonst kann ich sagen dass dies diem trudit3 und dass ich mit geschoben werde. – Deinen Auftrag an Pogatscher habe ich selbstverständlich gleich nach Empfang deiner vorletzten Postkarte ausgerichtet.4
Schönes Wetter wünscht dir
dein treuer Freund
J. Cornu
1 Vermutlich ist der Tod des jüngsten Söhnchens Jula gemeint.
2 Cornu, „Über die Betonung armáque im lateinischen Hexameter.“ Vortrag gehalten auf der 43. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Köln vom 24. bis 28. September 1895, Leipzig: Teubner, 1896. Der Vortrag ist in den entsprechenden Verhandlungen nicht abgedruckt; auf S. 156 heißt es, er werde an anderer Stelle publiziert, konnte jedoch im Druck nicht nachgewiesen werden: „An der Hand eines reichen statistischen Materials weist Cornu nach, daß im Hexameter ein Wort wie armáque (so betont nach dem Zeugnisse der sämtlichen römischen Grammatiker), welches der Quantität nach im ersten, vierten und fünften Fuße verwendet werden konnte, abgesehen von überaus seltenen Ausnahmen, nur als erster und fünfter Fuß vorkommt; daß nur dessen Verwendung im ersten Fuße keine Beschränkung erleidet, dagegen im fünften gewöhnlich an die bukolische Cäsur gebunden ist, welche in der Regel dann eintritt, wenn der fünfte Daktylus die Betonung -ᵕ´ᵕ hat. Aus dieser Tatsache folgert er weiter, daß die Annahme, die römischen Dichter hätten sich um den Accent nicht gekümmert, unbegründet sei; daß sie im Gegenteil die Accentverhältnisse sehr sorgfältig beachetet haben müssen, da sie stets wüßten, daß ein Daktylus wie corpora (´- ᵕᵕ`) von einem Daktylus wie armáque (-ᵕ´ᵕ) sich unterscheidet“.
3 Etwa „die Tage gehen dahin / ein Tag folgt auf den anderen“.