Julius Cornu an Hugo Schuchardt (062-01771)

von Julius Cornu

an Hugo Schuchardt

Prag

02. 02. 1891

language Deutsch

Zitiervorschlag: Julius Cornu an Hugo Schuchardt (062-01771). Prag, 02. 02. 1891. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann und Katrin Purgay (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7782, abgerufen am 16. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7782.


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Prag den 2 Februar 1891.

Lieber Freund,

Was du an mir rügst, nehme ich gerne an. Beim kk. Ministerium habe ich früh genug angeklopft; aber umsonst. Das erste Mal liess mir der Minister antworten, dass er nicht in der Lage wäre, das zweite Mal, wo er die Mittel hatte, war er nicht in der Lage. Ich habe übrigens nichts dagegen, dass er per 1000 fl. die Mittel andern giebt, welche man in Wien antrifft, während man in Prag meint, sie wären schon längst in London, Paris, Berlin und anderswo.

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Als wir vor bald einem Jahr über die Berufung WML.s nach Wien correspondierten,1 war es meine Vermuthung, dass dieselbe deshalb stattgefunden habe, damit weder du noch Gartner noch ich nach Wien können. Wie merkwürdig! Durch eine Mittheilung von Förster, der sich im letzten Herbste einige Tage bei mir aufhielt, erhielt ich die Bestätigung meiner Vermuthung. WML wurde, sagte er mir, nach Wien berufen, damit mir der Weg dahin versperrt sei. (Warum gerade mir?). So hätte er es in Wien gehört, von wem aber weiss ich nicht. Schwer ist es gewiss nicht, zu erfahren, ob es sich so verhält. |3| Wenn mich die Sache besonders ergriffen hätte, hätte ich wohl Mittel und Wege gefunden, zur Wahrheit zu gelangen. – Damals war Förster im Begriffe den Ruf nach Leipzig auszuschlagen. Auch hörte ich von ihm, er hätte beim sächsischen Ministerium mit allem Nachdruck auf dich hingewiesen und ich war nicht überrascht, als ich erfuhr, dass du den Ruf nach Leipzig erhalten und ausgeschlagen.

An paisible = plaisible ist so gar kein Zweifel möglich. Auch für Förster war die Sache gleich einleuchtend, und wer die Bedeutung in den ältesten französischen Texten ansieht, muss meine Meinung theilen. Über die Zurückweisung meines Artikels habe ich mich ganz und gar nicht gekränkt, und |4| habe es demjenigen, der denselben zurückgewiesen, durch meine Arbeit über d. Poema del Cid auch gezeigt*2 Hätte ich es gewollt, so wäre es mir ein Leichtes gewesen, den Aufsatz anderswo unterzubringen.

Mit den herzlichsten Grüßen
J. Cornu

*) Sollte aber G. P. meinen Nachweis des wirklichen Versmasses des P. del Cid, welcher ebenso unanfechtbar ist wie paisible = plaisible3 mit allem möglichen Zweifeln entgegenkommen, so werde ich dieselben mit Absicht ignorieren. Denn es fliessen mir die Gründe zur Bestätigung meiner Aufstellung ganz ungesucht zu und zwar in solcher Menge, dass es eine Freude ist. Ich könnte gar Jenen,4 der mir entgegentreten wollte, damit überschwemmen.


1 Vgl. Brief 01760 (ohne Namensnennung).

2 Cornu, „Révision des études sur le poème du Cid“, Romania 22, 1893, 531-553. Dies spricht dafür, dass Gaston Paris (oder Paul Meyer) den paisible-plaisible-Artikel zurückgewiesen hätte.

3 Erschienen ist der kurze Artikel in ZrP 15, 1891, 529-530.

4 Vermutlich ist „Jeden“ gemeint

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01771)