Hugo Schuchardt an Francesco D´Ovidio (90-HSFDO34)
von Hugo Schuchardt
10. 11. 1920
Deutsch
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Francesco D´Ovidio (90-HSFDO34). Graz, 10. 11. 1920. Hrsg. von Sandra Covino (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7701, abgerufen am 19. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7701.
Graz 10. Nov. 1920
Lieber Freund,
Auf meinen früheren Brief habe ich keine Antwort erwartet, und erwarte auch keine auf diesen. Ich schreibe ihn nur um einem Mißverständnis vorzubeugen.
In dem beifolgenden Artikel, der meine Unterschrift trägt, ist weder der Titel Römischer Chauvinismus noch der Schlußsatz aus meiner Feder; ich hatte ihn nicht einmal gewünscht. Wenn auch in der Sache keiner andern Meinung, würde ich jedenfalls jedes beleidigenden Ausdrucks mich enthalten haben. Der Schlußsatz des italienischen Briefes ist von der Redaktion in willkürlicher und fast unverständlicher Weise abgeändert worden; ich hatte das Original richtig übersetzt: „Come? Tanta intolleranza di noi, e noi, non poche migliaia, ma milioni, dovremmo per secoli subire il giogo straniero?‟1
|2|Über die Angelegenheit des deutschen Südtirol müssen die Deutschen anders denken und fühlen als die Italiener. Kein Diktatfrieden, der ja nur ein Diktat, und kein Frieden ist, kann Köpfe und Herzen zwingen. Aber diese Verschiedenheit, die man ebenso als natürliche ansehen mag wie die zwischen blond und brünett, braucht die freundschaftlichsten Gefühle zwischen den Einzelnen nicht aufzuheben oder zu stören und ebenso wenig den wissenschaftlichen Verkehr2.
Sim ut sum aut non sim – et mox non ero3. Du bist fast ein Jahrzehnt jünger als ich und wirst mich überleben4. So bitte ich Dich mich vor dem Nachruf zu schützen, ich sei gegen mein Ende ein Italienerfeind geworden. Ich habe zeitlebens Italien heiß geliebt und liebe es noch heute, in allem was mir liebenswert erscheint – und das ist unendlich viel. Aber meinem eigenen Volkstum kann ich nicht untreu werden5.
Aus warmem Herzen wünsche ich Dir und den Deinigen das Beste.
Dein
HSchuchardt
1 Cf. H. Schuchardt, Römischer Chauvinismus, in «Abendblatt. Unabhängige Tageszeitung für die Landeshauptstadt Innsbruck», 2. November 1920. In questo articolo Schuchardt faceva riferimento a una lettera ricevuta da un collega «dortigen hochgeschätzten», che, a suo avviso, dimostrava quanto nelle anime degli intellettuali italiani, fatte poche eccezioni, la consapevolezza del diritto dei popoli all’autodeterminazione fosse oscurata dal ricordo della Roma antica. La lettera in questione era stata inviata a Schuchardt da Vincenzo Crescini l’8 ottobre 1920 e si concludeva con la frase riportata correttamente in questa missiva a D’Ovidio (cf. Die Korrespondenz zwischen Vincenzo Crescini und Hugo Schuchardt, a c. di F.-R. Hausmann, 2018). I redattori del giornale avevano completamente ribaltato la domanda retorica: «Wie? So viel Unduldsamkeit und Chauvinismus, und die von uns mit Gewalt getrennten Tausende deutschen Brüder sollten sich Jahrhunderte unter ein solches fremdes Joch beugen?».
2 Il clima di crescente tensione sciovinista, che era culminato nel primo conflitto mondiale, aveva invece determinato una cesura nei rapporti di collaborazione scientifica internazionale e spesso amicizie professionali, prima solidissime, furono irrimediabilmente compromesse. Il fenomeno era stato denunciato, con profondo rammarico, sia da D’Ovidio, nel discorso all’Accademia dei Lincei del novembre 1914 (cf. la nota 3 alla lettera LXXXIV, HSA, 8490), sia da Schuchardt nell’opuscolo AHR, p. 4, dove l’autore aveva espresso forte preoccupazione per il clima di ostilità che aveva contaminato le comunità scientifiche.
3 La massima latina, a cui Schuchardt aggiunge la previsione della sua fine vicina, esprime la determinazione a essere come si è, cioè l’impossibilità di contravvenire alla propria natura; in questo caso alla propria identità nazionale.
4 D’Ovidio, nato nel 1849, morirà nel 1925; mentre Schuchardt, sebbene di sette anni più anziano, morirà nel 1927.
5 Dichiarazioni sul suo perdurante amore per l’Italia torneranno anche nelle lettere successive di Schuchardt, insieme a quello scivolamento “sentimentale” – centrale nell’opuscolo AHR – dall’attrazione nostalgica verso l’Italia del passato alla repulsione verso l’Italia del presente.
Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Biblioteca della Scuola Normale Superiore di Pisa. (Sig. HSFDO34)