Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (134-01171)
an Hugo Schuchardt
29. 01. 1890
Deutsch
Schlagwörter: Publikationsversand Real Biblioteca (Spanien) Solaridad Politik- und Zeitgeschichte Biographisches Becerra y Bermúdez, Manuel Machado y Álvarez, Antonio Plaridel, (1888)
Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (134-01171). Leitmeritz, 29. 01. 1890. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.770, abgerufen am 09. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.770.
Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.
29. Januar 1890
Hochverehrter Freund!
Heute sandte ich an Sie ein Paquet mit Druckschriften, die Sie mit Ausnahme von Havelaar u. Soberanía Monacal1 natürlich behalten müssen.
Ich werde schon dem Lacalle schärfer kommen, der nächste Artikel enthält etwas mehr Paprika u. einige Haupttreffer lasse ich mir für die Gegenantwort in Reserve, nach alter Gewohnheit.
Sie sagen u. sprechen von höheren Kreisen, die mit meinen folletos in Berührung kommen sollten. Ich thue mein möglichstes: die Bibliothek der Königin2, Becerra3, Balaguer, die Mitglieder des Consejo de Filipinas |2| u. 54 Senatoren u. Deputierte haben meine beiden Broschüren erhalten. Balaguer, der mir früher öfters geschrieben, schweigt seit October beharrlich. Merchado Alvarez dem ich über Ihren Vorschlag (an die von Ihnen 82 mir gegebene Adresse) die Defensa gesendet, hat nicht ein Wort erwiedert, wesshalb ich es unterließ ihm die Consideraciones zu senden.
7/2 Freitag halte ich einen Vortrag in dem Verein f. Erdk. in Dresden. Ich fürchte mich vor der Reise.
Es umarmt Sie ihr
getreuer
Blumentritt
Copie aus dem letzten Brief Rizals
"Deine Artikel in der Solaridad sind je u. je besser; mir hat der am 31. Dez. erschienene sehr gefallen; den letzten aber habe ich noch nicht gelesen, denn meine Nr. habe ich noch nicht bekommen; aber Luna u. Pardo de Tavera haben mich versichert, dass es ebenso gut wie die anderen. Viele Philippiner glauben noch, dass Du nicht existierst, sie schreiben mir Deine Artikeln zu u. das beste davon, manche Spanier glauben, dass Du uns nur Deinen Namen leihest! Die Armen u. die Unwissenden! Die armen Philippiner sind an der Misshandlung so angewöhnt, dass sie nicht begreifen, wie ein Fremder für sie Liebe u. Au[f]opferung erzeugen kann; sie begreifen es nicht dass ein Europäer anders als ein Spanier thue u. desswegen müssen sie auch glauben, dass ich die Supercherías4 der Frayles u. Spanier gebräuche, d.h. meine Artikeln mit geliehenem Namen unterzeichne. Die Lehrer aber dieser Philippiner d.h. die Spanier glauben ihrerseits, dass es unmöglich ist, anders als sie zu denken u. zu agieren ................
Die Influenza ist hier noch: ich aber weder hier noch in London habe davon nicht gelitten: nur einige Minuten Kopfschmerz, aber keine Fieber u. keine Unbehaglichkeit. Ich danke Gott, denn eine Krankheit wird meinen Feinden Wort u. Jubel geben, um zu sagen, dass es eine Bestraffung Gottes sei, weil ich so u. so bin: gewiss ich lache darüber, aber es bleibt eine Blasphemie. P. Faura sollte Pardo gesagt haben, als dieser zu ihm sagte, dass ich mich ein wenig krank befinde: "Es kann nicht anders sein, ein solcher Mensch muss sterben." Ja, ich muss sterben u. der P. Faura auch. Aber es ist nicht schön, dass ein Jesuit wie der P. Faura solche |4|dummen Sachen sage, denn als ich in Manila war u. mit ihm 11/2 Stunde Gespräche gehabt hatte, äusserte er sich ganz anders u. sagte, dass das Übel in meinem Buche sei, weil alles, das ich schrieb, sei die Wahrheit, bittere Wahrheit. "Sie haben, sagte er, nicht eine Novela geschrieben, das Buch hat nichts von einer Novela, es sind die traurigen Zustände unserer Zeit." Und nun glaubt er, dass sein Gott wird mich mit dem Tode bestrafen, weil ich die Wahrheit schrieb! Jupiter war es, welcher Prometheus an einer Klippe anbinden liess, weil er den Götterfunken den Menschen übergeben, aber der Gott der Jesuiten muss anders wie Jupiter herrschen. P. de Tavera hatte ihm geantwortet, dass es ist wahr, dass ich, indem ich die Frailes treffen wollte, den Stein mit solchem Schwunge geworfen, dass es über die Frailes gesprungen sei u. hatte die Religion getroffen. Ich füge hinzu |5| dass das Beispiel nicht so genau ist: ich wollte die Frailes Treffen; da die Frailes die Religion immer nicht nur als ein Schild sondern auch als Waffen, Schirm, Burg, Festung, Panzer u.a.m. benützten, so war ich gezwungen, ihre falsche u. aberglaubische Religion anzugreifen, um den Feind zu bekämpfen, der hinter diese Religion sich versteckte! Hätten die Trojaner eine gewisse Pallas Athene auf ihrer Festung aufgestellt u. sie von dannen die Griechen mit Waffen u. Pfeilen gekämpft, ich glaube, die Griechen hätten auch die Athene angegriffen. Gott muss nicht als Schild u. Beschirmer der Missbräuche dienen, ebenso die Religion; hätten die Frailes mehr Verehrung für sie, würden sie ihren heiligen Namen nicht zu oft benützen u. sie nicht in der gefährlichsten Lagen aussetzen. Was in den Philippinen vorkommt, ist grässlich: sie missbrauchen den Namen der Religion für einige Pesos, sie schreien Religion um ihre Haciendas zu bereichern. Religion um das einfältige Mädchen zu verführen: Religion, um sich eines |6| Feindes zu befreien, Religion um die Frieden der Ehe u. der Familie, wenn nicht die Ehrsamkeit der Frau zu tödten! Wie soll ich nicht diese Religion mit allen meinen Kräften bekämpfen, wenn sie ist die erste Ursache unserer Leiden u. Thränen? Die Verantwortlichkeit liegt an denen die ihren Namen missbrauchen!"
1 Plaridel (Marcelo H. del Pilar). (1888) La soberanía monacal en Filipinas: apuntes sobre la funesta preponderancia del fraile en las islas, asi en lo politici como en lo economico y religioso.
2 Spanische Nationalbibliothek (Biblioteca Real).
3 Manuel Becerra y Bermúdez (1820-1896), progressiver Politiker, zu jener Zeit Ministro de Ultramar.
4 Betrug.