Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (132-01169)
an Hugo Schuchardt
16. 01. 1890
Deutsch
Schlagwörter: Biographisches Networking Publikationsversand El Diluvio Reflexion über Korrespondenz Politik- und Zeitgeschichte Serrano y Laktaw, Pedro (1889) Blumentritt, Ferdinand (1889) Morga, Antonio de (1609) Sichrovsky, Harry (1983)
Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (132-01169). Leitmeritz, 16. 01. 1890. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.768, abgerufen am 28. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.768.
Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.
16. Januar 1890
Verehrter Freund!
Zunächst: die Influenza habe ich hinter mir, der Katarrh ist mir geblieben, ich sitze zu Hause gefangen und vergehe vor Sehnsucht nach einer Cigarre. Nun ad rem: Das Diccionario hispano-tagalog1 hat Ihnen der Verfasser, mein braver Freund: Don Pedro Serrano2, ein Tagale, Schulmeister, Leiter der Escuela municipal von Binondo (Manila), calle de Joló 13 geschickt. Ein äußerst netter Mensch für dessen Freiheit ich nur zu sehr fürchte, denn die Frailes hassen und die castilas beneiden ihn, |2| das ist zu viel für einen ehrlichen Eingebornen. Bitte, wenn Sie ihm schreiben, theilen Sie ihm mit, dass ich außer dem "egyptischen" Brief keinen mehr von ihm erhalten hätte, seitdem erhielt ich nur ein Paquet Recortes mit der Adresse von seiner Hand. Seitdem erhielt ich gar nichts mehr, nicht einmal die Fortsetzungen seines Diccionario. Die Polizei in Manila unterschlägt alle direct unter meiner Adresse gehenden Briefe, wahrscheinlich auch die meinigen, da meine Schrift zu charakteristisch ist. Bitte, nehmen Sie mir diese unbescheidenen Aufträge nicht übel. Sagen Sie ihm nur, er möge mit der Unterschrift P.S. (oder Pedro oder P.) mir Postkarten wenigstens |3| senden, die werden höchstens von einem Markensammler aber nicht von einem in höherem Auftrage amtierenden Diebe gestohlen.
Ich werde Ihnen nach und nach eine Menge von Zeug schicken, das ich über die Philippinen geschrieben habe. Behalten Sie natürlich alles, nur das Diluvio3, in welchem ich als in Barcelona eine Verschwörung leitend gewahnwitzt werde, werde ich mir zurückerbitten.
Die Spanier Manilas sind toll vor Wuth gegen mich, wie werden sie es erst jetzt sein, wenn gleichzeitig mit meinem Verzicht auf den Titel eines Ehrenmitgliedes der Económica meine Broschüre Consideraciones4 etc. eingetroffen ist. Sie werden vor Wuth in die |4| Erde beißen, die sie so hassen. Wütdend wird man ferner über meine Vorrede zu Rizals Ausgabe Morgas5 sein, die ich Ihnen nicht schicken kann, weil ich nur ein einziges Exemplar erhielt.
Eine Menge schöner Arbeiten harren der Ausführung, wenn Gott mich gesund lässt u. den Herrn Gautschleben so weit erleuchtet, dass er die Zahl der Schülerarbeiten etwas reduciert, dann wird es eine Lust sein. – Am 7/2 halte ich in Dresden einen Vortrag. –
Leben Sie wohl, es umarmt Sie Ihr getreuer
Blumentritt
1 Serrano y Laktaw, Pedro (1889). Diccionario hispano - tagalog.
2 Pedro Serrano y Laktaw (1853 – 1928), philippinischer Lehrer und Lexikograph. Unterstützer der philippinischen Reformbewegung.
3 El Diluvio, republikanische Zeitung aus Barcelona.
4 Blumentritt, Ferdinand (1889a). Concideraciones acerca de la actual situación política de Filipinas. Darin spricht sich Blumentritt sehr konkret für mehr Selbständigkeit der Philippinen aus: “... las Filipinas necesitan ante todo la libertad de la prensa, la representacion en el Parlamento español, y las reformas liberales ...” (Blumentritt 1889a: 50).
5 Doctor Antonio de Morga (1609). Sucesos de las Islas Filipinas. Eine Beschreibung der vorkolonialen Lebensumstände auf den Philippinen. Rizal kommentierte das Werk ausführlich und gab es 1890 neu heraus. Seine Absicht war es, zu beweisen, dass die Philippinen vor der Ankunft der Spanier eine hohe Kultur und Sozialstruktur besaßen. Blumentritt schrieb das Vorwort zu Rizals Ausgabe, in dem er u.a. die Haltung der Europäer gegenüber anderen Völkern im Allgemeinen kritisiert, und die Haltung der Spanier den Philippinern gegenüber im Besonderen. Mehr dazu siehe in Sichrovsky (1983: 98-101).