Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (124-01160)

von Ferdinand Blumentritt

an Hugo Schuchardt

Leitmeritz

16. 10. 1887

language Deutsch

Schlagwörter: Ausstellungen Sprachprobe Oceanía Española Manila Alegre Literaturhinweise / bibliographische Angaben Manuskriptnachlasslanguage Spanisch (Philippinen) Frankenthurn Gautsch, Paul von Díaz de la Quintana, Alberto (1887) Rizal, José (1887)

Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (124-01160). Leitmeritz, 16. 10. 1887. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.760, abgerufen am 15. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.760.

Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.


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Leitmeritz, 16. Oktober 18871

Verehrter Freund!

Besten Dank für Ihre lieben Zeilen! Glaubte, dass Ihnen meine Karten nachgesendet würden. – Ich habe meine Flügel ausgespannt, es ergieng mir aber wie dem armen Schneidermeister oder Gesellen von Ulm: Ich hätte mein Leben gern die jetzt in Madrid tagende Philippinische Colonialausstellung2 gesehn, ich bin aber nur auf meine 1500 fl jährlich angewiesen ...

Da wandte ich mich an die Regierung um eine Subvention von nur 400 fl, ich überwand meine Abneigung gegen jeden Retintin und wies auf die Urtheile der Fachleute hin, die mir so wohl wollten, aber man wies mich ab und so blieb ich hier in Leitmeritz. Ich hätte wohl mir das Reisegeld ausborgen können, aber das konnte ich mit Rücksicht auf meine Familie und die Madrider Lungenentzündungen nicht thun.

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Sie sehen, dass ich in meinem Vaterlande kein Glück habe u. wer weiß, was noch bevorsteht, denn wenn die Gautschsche3 Einheitsmittelschule wirklich ins Leben tritt, dann wird früher oder später die städtische Realschule auffliegen und ich vielleicht disponibel wie ein spanisches Opfer der Cesantía dastehn.

Ein Pflaster wenigstens ist meinen Wunden zu theil geworden, wie mir Balaguer schreibt, hat die Jury der Expos. meine Arbeiten mit der goldenen Medaille praemiiert4: Also etwas für die Zeiten der Cesantía, das kann man dann versetzen.

Hier noch einige Proben von dem Philipp. Spanisch:

"Plegaria

¡Ay María! de Dios Madre,

oye vos estos acentos:

nisós quiere, no portentos

solo un poco de piedad.

Aquel hijo de Dios mismo

Ya deja na vos cuidado

quedá vos el desgraciado

su Nanay en la orfandad,

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Si vos pues, nisós Nanay

y nisós el maña* hijo,

cumplé vos del crucifijo

el encargo que ya dejá.

Vos ya sabe que sin vos

¿cosa pá? sino esta vida

ha de dale cada caida

que en mal fin ha de acabá.

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Así pues, Nanay querida,

tené lástima estos hijos,

que con vos sus ojos fijos

ta pidiendo proteccion.

Abré ya vos corazon

á estos pobres corazones;

dale vos el maña dones

y tambien vos bendicion.

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Ojala que esta pobre plegaria llegá sána na manos de aquel doctor aleman, que no ta acordá yo el nombre; y á vez si na su deseo de comprender y poseer el lengua de tienda, anda él siempre repitiendo, y contanto dale que dale, á ver tambien si la Vírgen María llegá á ayudarle na su conversion, por si acaso es protestante. ¡Dios quiera!

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Diese Sprachprobe ist dem "lenguaje de los de Ermita, Dilao, Parian, S. Roque y S. Nicolás (bei Manila u. Cavite5) entnommen u. "dedicada al Dr. (Sic) Blumentritt, Austriaco". Autor unbekannt. Publiciert in der Oceanía Española, 31. März 1886, wurde mir aber erst in den Ferien heuer geschickt, gleichzeitig mit meinem Porträt (á la Floh) in "Manila Alegre"6. In den Siluetas filipinas7 von Ximeno Ximenez8, einem Bekannten von mir, ist auch viel für Sie interessantes enthalten.9

Habe ich Ihnen den Artikel Rizal: "F. Blumentritt el historiador de las Filipinas"10 geschickt?11

Mit herzlichen Grüßen Ihr

treu ergebener

Blumentritt

* Maña es igual que el mang̃a de los tagalos, cuya g no pueden pronunciar ]la de[ los naturales ]en[ que hablan ]el[ castellano detienda."


1 Wie die Inventarnummer (01160) zeigt, ist dieser Brief an der UB Graz an falscher Stelle geordnet.

2 Bei der Ausstellung 1887 in Madrid wurden nicht nur exotische Pflanzen und Tiere der Philippinen ausgestellt, sondern sogar ein Dorf mit Eingeborenen im Park errichtet. Rizal äußert sich Blumentritt gegenüber kritisch darüber: “Don't mind the Philippine Exposition in Madrid. According to the newspapers and the information I have, it will not be a Philippine Exposition but an Exhibition of Igorots, who will play their musical instruments, cook, sing, and dance. But I pity this poor people. They will be exhibited in the Zoological Garden of Madrid and with their simple original apparel they will catch a dreadful pneumonia. This sickness is very frequent in Madrid and even the Madrid people catch it in spite of their covering.” (Rizal an Blumentritt am 22. November 1866, siehe http://www.univie.ac.at/voelkerkunde/apsis/aufi/rizal/rbcor007.htm ).

3 Paul Freiherr von Frankenthurn Gautsch, Unterrichtsminister (1879-1881 und 1895/96).

4 Goldmedaille der philippinischen Ausstellung in Madrid 1887.

5 Provinz an der Bucht von Manila.

6 Spanischsprachige Zeitschrift auf den Philippinen im 19. Jahrhundert. Blumentritt nennt die Zeitschrift in Brief Nr. 1164 ein „Witzblatt“.

7 Díaz de la Quintana, Alberto (1887). Siluetas filipinas.

8 Pseudonym für Alberto Díaz de la Quintana. (Ich danke Mauro Fernández für diesen Hinweis.)

9 Eine kurze Notiz zu Díaz de la Quintana (1887) ist in Schuchardts Kladde „Philippinen, Puerto Rico“ (Materialienband Nachlass B.11.1.8.) auf Seite 78 zu finden.

10 Rizal, José (1887a). El historiador de Filipinas Don Fernando Blumentritt.

11 Dieser Artikel ist in Schuchardts Nachlass nicht aufzufinden.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01160)