Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (121-01158)

von Ferdinand Blumentritt

an Hugo Schuchardt

Leitmeritz

05. 02. 1887

language Deutsch

Schlagwörter: Politik- und Zeitgeschichte Kreolgenese Kreolsprachen Biographischeslanguage Küchenspanischlanguage Küchendeutsch Blumentritt, Ferdinand (1882)

Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (121-01158). Leitmeritz, 05. 02. 1887. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.757, abgerufen am 08. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.757.

Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.


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Leitmeritz, 5. Feber 1887

Verehrter Freund!

Die Philippinen sind von dem Fluch der Sclaverei verschont geblieben1: die Augustiner (und auch Dominicaner) wussten beim Hofe zu erwirken, dass jenes fluchwürdige Institut wohl für die übrigen Colonien aber nicht für die Ph. existierte. In den ersten Jahrzehenten (etwa 1570-1610) suchten zwar die Conquistadoren das Sclaverei-Verbot derart zu deuten, dass es sich nur auf die Eingebornen bezöge, während die von außen importierten Sclaven, besonders die "Cafres" (Papúas u. Alfuren) von jenen Verfügungen nicht getroffen würden, die Mönchsgeistlichkeit wusste aber auch diese Auslegung zu hintertreiben, so dass die Philippinen von der Sclaverei frei blieben.

ad Ex. Natürlich behielt aber ein Spanier den aus Westindien eventuell mitgebrachten Negersclaven bei in seiner alten Eigenschaft. Da aber nur höchst selten|2| ein spanischer Beamte oder Officier einen Sclaven mit sich nach Manila brachte, so hat es kaum mehr als je 50-100 Sclaven im Archipel (pro Jahr) gegeben. Das Español de cocina ist also absolut nicht mit dem Sclaveninstitut in Verbindung zu bringen, eher mit dem Handel, doch auch da gibt es Zweifel: der Handel zwischen den Eingebornen u. dem Spanier wurde größtentheils durch die Chinesen vermittelt, nach meinem Ermessen verdankt das Español de cocina seine Entstehung:

1) Dem Dienstpersonal der spanischen Häuser (dies würde also der Sache nach dem Sclaventhume entsprechen)

2) Dem Concubinate (jeder Europäer hat seine Meretrix domestica)

3) Dem Truppendienst (farbige Soldaten unter weißen Sargentos u. Officieren.)

Für letzteres spricht insbesondere die intensivere Verbreitung des Esp. de Cocina in Cavite u. Zamboanga, in welch letzterem Orte|3| so gut wie gar kein Handel existierte, da landeinwärts die spanische Macht nur so weit reichte, als die Kanonen der Festung trugen, während der Seeverkehr durch die Moros-Piraten behindert wurde.

Die Liebe spielt ja auch bei der Bildung des Küchendeutsch eine große Rolle:

Die Dienstboten sind (hier) meist (90%) hochbusige Čechinnen, in Theresienstadt (2km) liegen 2 ganz (95%) deutsche Regimenter: während deutsche Hausfrauen den böhm. Küchenmädchen zu liebe das čechische zu radebrechen beginnen (also im Dienstverhältnis siegt das inferiore Element), sind die deutschen Soldaten nationaler: ihre Mädchen müssen sich zum Erlernen des Deutschen bequemen (in der Liebe siegt also die "höhere" Nation), bis ihnen endlich der Krieger das Bäuchlein rundmacht, worauf der Sprößling der čechischen Nation verfällt.

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Ich bin ganz elend, mein Arzt spricht von einem Kehlkopfkatarrh der zu Ende geht: ich aber glaube, es fängt die Pfhisis2 an u. dann wirds eben richtig zu Ende gehen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr pobrecito

F. Blumentritt


1 Philipp II. erließ ein Verbot der Sklaverei auf den Philippinen (Blumentritt 1882c: 59).

2 Phthisis (laryngea), (Kehlkopf)schwindsucht.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01158)