Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (114-01151)
an Hugo Schuchardt
26. 07. 1886
Deutsch
Schlagwörter: Biographisches Dankschreiben Politik- und Zeitgeschichte k.k. geographische Gesellschaft (Wien) Labhart-Lutz, Johann Conrad Pardo de Tavera, Trinidad Hermenegildo Reyes, Isabelo de los Breker, Carl Paterno, Pedro Alejandro
Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (114-01151). Leitmeritz, 26. 07. 1886. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.750, abgerufen am 05. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.750.
Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.
Leitmeritz (Böhmen) 26. Juli 1886
Mi querido amigo:
Ich wollte Ihnen nicht eher, für die frdl. Zusendung Ihres Nachtrages dankend, schreiben, als bis ich mein neues photographisches Bildnis erhalten hätte, da aber mein Photograph mit echt deutscher Gründlichkeit mich von Woche zu Woche vertröstet, so wollte ich nicht länger mit der Antwort zögern. Hoffentlich geht es Ihnen gut, ich kann dies nicht von mir behaupten, wenn gleich ich froh wäre, wenn's so bliebe. Nervöses Herzklopfen, unruhiger Schlaf u. Hämorrhoiden sind es, die mich plagen. Das allerärgste ist, dass ich nicht reisen kann: Zwei Stunden Eisenbahnfahrt bringen mich in hochgradige Aufregung, während Fußtouren von 4-5 Stunden mich gar nicht ermüden.
Dem armen Labhart geht es selbst schlecht: sein Geschäft war vorwiegend auf chinesische Kunden u. Zwischenhändler angewiesen, der Krieg von Tonkin1 "verschlang" seine Schuldner u. Labhart musste Crida ansagen. Es ist ein Glück, dass seine Frau das ihr gehörige Landgut in St. Gallen nicht in das Geschäft ihres Mannes hat eintragen lassen, sonst|2| wäre auch seine Familie in das Unglück mit hineingerissen worden. Es freut mich nur, dass man ihm nach wie vor dieselbe Achtung zollt, er legte alle Würden nieder man hat sie ihm aber wieder ertheilt. Er selbst hat mir seit jener Unglückszeit nichts mehr geschrieben, aber doch Zeitungsausschnitte gesendet.
Pardo de Tavera macht eine Tour durch die Schweiz, vielleicht kommen Sie da mit ihm zusammen.
Von meinem neuen Freunde dem indio ilocano D. Isabelo de los Reyes habe ich schon seit mehreren Monaten keine Nachricht, ich fürchte man hat ihn eingesperrt weil er ein indio instruido ist.
Der Herr Breker2 aus Mejico erfreut mich mit der Sendung ganzer Stöße von mejicanischen Zeitungen, es muss dies ein guter Mensch sein.
Habe ich nicht Ihnen einmal die Adresse eines philippinischen Mestizen namens Paterno mitgetheilt?3 Ich warne Sie hiermit vor ihm, er ist ein Schwindler und unehrlicher Mensch (in literarischer Beziehung), Plagiator etc. kurz|3| ein ganz gemeines Subject, ich kann Ihnen allenfalls mit Einzelheiten dienen.
Ich habe in den letzten Monaten eine Karte des von den Tinguianen bewohnten Gebietes der Insel Luzón gezeichnet, die (ich bin so naiv es zu sagen) mir sehr gut gefällt, ich habe das liebe Kind der geogr. Ges. v. Wien geschickt, weil ich derselben schon lange eine Karte schulde, lieber wäre mir freilich Gotha oder Berlin gewesen, denn die matte Schrift und die lehmigen ordinären Farben der Wiener Karten sind mir in der Seele verhasst, aber der Bien muss!
Wenn Sie einmal einen Augenblick Zeit haben, so werfen Sie mir einen Gruß auf eine Postkarte.
Le abraza su mejor amigo
qbsm
F. Blumentritt
1 Tonkin(g), nördliche Region Vietnams, als Grenzgebiet im Chinesisch-Französischen Krieg 1884/1885 umkämpft.
2 Carl Breker. Im Nachlass Schuchardts existieren fünf Briefe Brekers über Mexiko (Briefe Nr. 01345-01349).
3 In Brief Nr. 1146 hatte Blumentritt über Paterno geschrieben, jedoch keine Adresse mitgeteilt.