Rudolf Beer an Hugo Schuchardt (16-00913)

von Rudolf Beer

an Hugo Schuchardt

Wien

03. 06. 1906

language Deutsch

Zitiervorschlag: Rudolf Beer an Hugo Schuchardt (16-00913). Wien, 03. 06. 1906. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7266, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7266.


|1|

Wien, IX., Schwarzspanierstraße 15
Pfingstsonntag 1906.1

Hochverehrter Herr Hofrat,

wie sehr bedauerte ich, daß es mir nicht möglich war, für die freundliche Erinnerung aus Valencia persönlich bei Ihrer letzten Anwesenheit in Wien zu danken! Als mir H. R. v. K.2 mitteilte, daß Herr Hofrat Wien besucht hätten, waren Sie schon auf u. davon, und die sich selten genug ergebende Gelegenheit zum homenaje al maestro de los maestros vorüber. Mein Chef erzählte mir, mit wie viel teilnehmendem Wolwollen Herr Hofrat meiner gedachten, und ich bitte, den Ausdruck herzlichsten Dankes für alle Sympathie entgegenzunehmen, mit der Sie mein bescheidenes Wirken nun seit einer Reihe von Jahren begleiten! Leider bin ich in der letzten Zeit nicht in der Lage gewesen, mit Ergebnissen meiner recht stillen Arbeit hervorzutreten, hoffe aber |2| das Versäumte wenigstens einigermaßen demnächst nachzuholen. Seit 1 ½ Jahren arbeite ich an Ausgabe des schon vor fast 2 Dezennien gemachten Katalogs der Ripoller Manuskripte, der manche Überraschung bringen wird.3 Die Schreib- und Sammeltätigkeit in diesem altcatal. Kloster ist so merkwürdig und steht mit den in ähnlichen Zentren gepflegten geistigen Interessen (Cluny, St.-Germain, Fleury) in so innigem Zusammenhang, daß ich mich zu einer einleitenden Studie entschloß, die nun doch in absehbarer Zeit erscheinen wird. Wenn es mir nur möglich wäre, etwa 4 Wochen in der Pariser National-Bibliothek zu arbeiten! Das wäre Gelegenheit, manches weit plastischer herauszubringen, als dies mit den hiesigen Mitteln gelingen will, auch wäre mir an der Seine, freilich in eigenem Sinn, ein procul negotiis gegönnt. Wir sind, der Chef vor allem, furchtbar gehetzt, manchen Tag gibts kaum 5 Minuten respiro!

Das der Grund, warum der Pfingstsonntag gewählt werden mußte, um dem verehrten Meister Dank, innige Grüße u. Wünsche zu übermitteln.
R. Beer

Das letzte Heft der Zeitschrift hat mich wieder sehr angeregt4 u. erfreut. Darf ich wieder einmal um ein persönliches Wort bitten.


1 30. Juni 1906. [Anm. C. Schlemmer: Der Pfingstsonntag war am 3.6.1906, Briefdatum wurde korrigiert.]

2 Herr Rat von Karabacek (Josef von Karabacek).

3 Beer, Die Handschriften des Klosters Santa Maria de Ripoll, Wien: Hölder [in Komm.]; 1907-08, 2 Bde.; auch teilweise in katalan. Übers.: Los manuscrits del monastir de Santa María de Ripoll. Trad. del alemany den Pere Barnils y Giol, Barcelona: Casa Provincial de Caritat, 1910 (Boletin de la Real Academia de Buenas Letras de Barcelona; 5.).

4 Im Bd. 39, 1906, der Zeitschrift für romanische Philologie ist Schuchardt mit sechzehn kürzeren Beiträgen vertreten.

Von diesem Korrespondenzstück ist derzeit keine digitale Reproduktion verfügbar.